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Neues auf toten Flächen
Das Ausmaß des Baumsterbens ist dramatisch - der Bund forciert die Aufforstung
Wie sehr der Wald unter der Hitze und der Trockenheit leidet, ist unübersehbar. Schon jetzt im August verfärben sich die Blätter der Laubbäume, und ihre Kronen lichten sich. Unwetter und Stürme wie zuletzt im Februar setzen den Bäumen zusätzlich zu. Schadinsekten wie der Borkenkäfer nutzen den Stress, unter denen die Nadelbäume stehen. Anfangs befiel er vor allem Fichten, mittlerweile gibt es auch an Kiefern massive Schäden.
285 000 Hektar müssen inzwischen aufgeforstet werden, wie neue Berechnungen des Bundeslandwirtschaftsministeriums ergeben. Das entspricht einer Fläche, die größer als das Saarland ist. Es sind Areale, die vom Borkenkäfer befallen sind, Sturmschäden aufweisen oder auf denen ein Großteil der Bäume Waldbränden zum Opfer gefallen ist wie im brandenburgischen Treuenbrietzen vor zwei Jahren. Bisher war die Bundesregierung von etwa 40 000 Hektar Neuanpflanzungen ausgegangen.
Auf das fatale Ausmaß des Waldsterbens machte unlängst die Umweltschutzorganisation Robin Wood aufmerksam. Sie zog dafür die Waldzustandserhebung des Landwirtschaftsministeriums heran, in deren Rahmen in einer Langzeitstudie die Bäume auf Schäden untersucht werden. Demnach wiesen im vergangenen Jahr rund 78 Prozent der Waldbäume Schäden auf. Gegenüber dem Dürrejahr 2018 sei das noch einmal eine Zunahme um sechs Prozent gewesen, das ist der höchste Wert seit Beginn der Dokumentation vor 36 Jahren.
Als Indiz für eine Schädigung gilt die »Verlichtung« der Kronen, die für den Wald fatale Folgen hat. »Es fällt mehr Licht auf den Waldboden, dadurch gibt es dort mehr Wärme und Verdunstung«, sagte die Waldreferentin von Robin Wood, Jana Ballenthien, dem »nd«. »Folglich trocknet der Wald schneller aus, und die Bäume werden noch anfälliger für Insektenbefall, Hitze, Stürme und andere Auswirkungen des Klimawandels.«
Für die Wiederaufforstung haben Bund und Länder den Waldbesitzern bereits Gelder zur Verfügung gestellt. Allerdings läuft die Vergabe schleppend an. Nur 31 Millionen Euro seien bislang ausgezahlt worden, erklärte eine Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministeriums am Mittwoch. Dabei stünden für dieses Jahr eigentlich 138 Millionen Euro bereit. Wegen angepasster Förderrichtlinien und aufgehobener Obergrenzen rechnet das Ministerium aber damit, dass die Auszahlungssumme in der zweiten Jahreshälfte deutlich steigen wird.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat sich am Mittwoch dafür ausgesprochen, den Waldumbau mit weiteren Bundesmitteln zu unterstützen. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) plane ein neues Investitionsprogramm, da »müssen wir auch über den Umbau der Wälder reden«, sagte die SPD-Politikerin der »Westfalenpost«. Bei der Aufforstung müsse mehr Mischwald mit hitzeresistenten Arten angepflanzt werden. »Die Anpassung an die Klimaveränderungen muss schnell eingeleitet werden«, forderte Schulze.
Robin Wood setzt sich für einen behutsamen Waldumbau ein. »Das A und O ist die natürliche Verjüngung«, sagte Ballenthien. »Wir sollten erst einmal schauen, was sich selbst aussät. Dann kann noch immer gezielt hinzugepflanzt werden.« Auch die Entnahme von abgestorbenen Bäumen sieht sie skeptisch: »Das Leerkratzen der Wälder kostet viel und ist geradezu fahrlässig. Wir brauchen nämlich auch das Totholz - es spendet Schatten, bindet Feuchtigkeit und gibt Nährstoffe an den Boden ab; es fördert die Artenvielfalt und beugt zudem einer Versteppung vor.« Zwar sei es richtig, dass mit einer Entnahme des Schadholzes der Borkenkäfer bekämpft werde, aber der habe es auch in den Monokulturen leicht gehabt. »Geradezu wie im Schlaraffenland«, meinte Ballenthien. »In Mischwäldern wäre das Ausmaß der Schäden sicherlich nicht so groß gewesen.«
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