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Erbbauzins als Nullnummer
Die Lause genossenschaftlich zu kaufen, reicht nicht, um sie langfristig zu sichern
»Drei Prozent sind zu viel für die Lause. Wir können das nie und nimmer bezahlen. Senkt doch den Erbbauzins, dann können wir bleiben«, singt Opernsängerin Marieke Wikesjo im Hinterhof der Lausitzer Straße 10. Dort haben sich Vertreter*innen verschiedener Haus- und Wohnprojekte sowie Expert*innen zusammengetan, um darüber zu beraten, wie das Erbbaurecht im Sinne einer gemeinwohlorientierten Immobilienpolitik genutzt werden kann.
Nach jahrelangen Hausversammlungen, Demos und Protestaktionen steht die Lause kurz davor, dem Immobilienmarkt entzogen und in eine Genossenschaft überführt zu werden. Dadurch würde ein Erhalt der über Jahrzehnte gewachsenen Hausgemeinschaft wahrscheinlicher. Als Ensemble aus politischen und künstlerischen Initiativen, NGOs, Handwerker*innen, Familien und Wohngemeinschaften steht die Lause wie kaum ein anderes Projekt für die berühmte »Kreuzberger Mischung«.
Im Dezember 2016 hatten die Mieter*innen erfahren, dass der Eigentümer, der dänische Investor Jørn Tækker, den Gewerbehof verkaufen will. 20 Millionen Euro verlangte die Tækker Group für das Objekt, das sie dem rot-roten Senat im Jahr 2007 für nur 2,3 Millionen Euro abgekauft hatte. »Wir haben sehr viel Druck auf den Eigentümer ausgeübt, und es ist uns gelungen, den Verkaufspreis auf zehn Millionen Euro herunter zu handeln«, erklärt Lause-Vertreterin Maria Haberer - »ein Riesenerfolg«. Zudem habe sich der Senat bereit erklärt, das Grundstück für sieben Millionen Euro zu kaufen und den Nutzer*innen per Erbbaupacht zur Verfügung zu stellen.
Das Gebäude soll mithilfe der Genossenschaft »Eine für Alle eG« gekauft werden. Dafür muss die Hausgemeinschaft drei Millionen Euro aufbringen. Mit einer Million Euro Eigenkapital hat die Genossenschaft bereits ausreichend Geld gesammelt, um einen Bankkredit aufzunehmen, teilte Frieder Rock dem »nd« mit. Um die Mietkosten so gering wie möglich zu halten, vergibt das Projekt außerdem Anteile an Genoss*innen, die die Lause finanziell unterstützen möchten.
Doch selbst wenn der Kauf glücken sollte, wären die Initiativen, Projekte und Gewerbetreibenden nicht zwangsläufig geschützt. Denn der Erbbauzinssatz für soziale, kulturelle und sportliche Zwecke liegt in Berlin üblicherweise bei drei Prozent. »Jeder zehntel Prozentpunkt bedeutet Verdrängung für einzelne Projekte«, erklärt Haberer. Auf der Grundlage des Kaufpreises hätte ein Erbbauzins von drei Prozent von »Eine für Alle eG« zufolge eine Startmiete etwa 18 Euro pro Quadratmeter zur Folge, selbst bei 1,5 Prozent wären es noch 16 Euro.
Die Entscheidung über den Zinssatz liegt letztlich bei der Senatsfinanzverwaltung unter Senator Matthias Kollatz (SPD). Die lässt derzeit ein Wertgutachten von der Berliner Immobilienmanagement GmbH erstellen, wie ein Sprecher der Senatsverwaltung bestätigte, wollte aber keine näheren Angaben zu den laufenden Gesprächen machen.
Die Lause-Engagierten fordern: »Gib uns ’ne Null!« Unterstützt wird das von Expert*innen für gemeinwohlorientierte Immobilienpolitik: »Viele Projekte bräuchten zumindest am Anfang einen Erbbauzins von null Prozent«, sagt Christian Schöningh, Projektentwickler und Architekt. »Wenn das Haus dann saniert und entschuldet ist, könnte man einen angemessenen Zins zurückzahlen.« Allerdings bedeute eine Absenkung des Erbbauzinses auf Null auch eine Verminderung des gemeinschaftlichen Vermögens, gibt Schöningh zu bedenken. Daher müsse bei dem Vergabeverfahren von Erbbauflächen die Gemeinwohlorientierung eine Rolle spielen.
Berlin solle sich Hamburg zum Vorbild nehmen, forderte Martin Herrmann vom Zusammenschluss »Die Siedler von Neukölln«. Dort sei der reguläre Erbbauzins für Wohnungen auf 1,5 Prozent gesenkt worden. Einig sind sich die Aktivist*innen darin, dass das Erbbaurecht kein individuelles, sondern ein politisches Problem ist, das auf Landesebene angegangen werden muss. Der Vorschlag von Carola Rönneburg von der Nachbarschaftsinitiative »GloReiche Nachbarschaft« ein stadtpolitisches Hearing im Abgeordnetenhaus zu organisieren, erhielt entsprechend viel Zustimmung. Dort könnten sich die Betroffenen dann mit Expert*innen und den Abgeordneten über das Thema Erbbaurecht austauschen.
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