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- Fridays For Future und Angela Merkel
Sprechen ist gut, streiken ist besser
Elena Balthesen fragt sich, ob »Fridays for Future« mit mächtigen Unternehmen und Politikern zusammenarbeiten soll oder ob man ihnen damit Öko-PR schenkt.
Bei »Fridays for Future« (FFF) in München geht es mal wieder um Siemens. Seit etwa drei Wochen findet unser Klimacamp vor der Zentrale des Konzerns statt, das Ende des Camps ist noch offen. Hintergrund ist eine Turbinenlieferung für die neuen Kohlekraftwerksblöcke Jawa 9 und 10 in Indonesien. Siemens Energy argumentiert: Die Verträge seien unterschrieben, jetzt lasse sich das Ganze leider nicht mehr absagen.
Unser Protest richtet sich nicht nur gegen Siemens, sondern auch gegen die Politik, die dringend überlegen müsste, wie man einen Rahmen dafür setzt, dass Verträge über klimaschädliche Geschäfte massenhaft aufgelöst werden.
Im Januar saßen wir schon einmal einen ganzen Tag lang schweigend vor der Siemens-Zentrale in München. Mit unserer Mahnwache protestierten wir dagegen, dass das deutsche Unternehmen Signalanlagen für eine Zugstrecke in Australien liefert, auf der der indische Kohlekonzern Adani Kohle von seinem riesigen neuen Carmichael-Tagebau zum Kohlehafen Abbot Point transportieren will. Auch damals hieß es, wegen der bestehenden Verträge sei ein Rückzieher nicht möglich. Stattdessen kam das Angebot an »Fridays for Future«, dass Luisa Neubauer Teil eines neuen Nachhaltigkeitsgremiums bei Siemens Energy werden könne.
Etliche Kommentator*innen warfen damals ein, dass der Posten für Luisa doch eine einmalige Chance sei, Siemens von innen heraus nachhaltiger zu machen. Luisa hat trotzdem abgelehnt. Sie verwies darauf, dass ein bezahlter Posten ihre Unabhängigkeit gefährdet hätte. Außerdem bezweifelte sie, dass sie in dem Gremium den gewünschten Effekt hätte erzielen können.
Die Frage, inwiefern man mit denen zusammenarbeiten sollte, die für die Klimakrise verantwortlich sind, stellt sich nicht nur bei Unternehmer*innen. Am Donnerstag haben sich Greta Thunberg, Luisa Neubauer und zwei Aktivistinnen aus Belgien mit Bundeskanzlerin Angela Merkel getroffen, um »Klimaschutz national und international zu erörtern«. Hätten die vier die Einladung aus dem Kanzleramt ausschlagen sollen? Dazu gab es unterschiedliche Meinungen, auch bei FFF. Manche finden, dass man Merkel damit dabei hilft, ihr klimafreundliches Image zu erneuern.
Merkel hatte schon im vergangenen September, auf einem UN-Klimatreffen in New York, ein Bild mit Greta ergattert. Die bezeichnete sie später als eine der vielen, die nur »Selfies und Smalltalk« machen wollten.
Ich finde, auch Gespräche sind ein Protestformat. Besonders im Fall von mächtigen Politiker*innen, welche sich den ganzen Tag mit Lobbyist*innen treffen, die Klimaschutz ausbremsen wollen. Dieses Feld dürfen wir nicht nur den Großkonzernen überlassen.
Natürlich versuchen Politiker*innen immer wieder, sich mit Klimaaktivist*innen in Szene zu setzen. Aber solche Gespräche bieten auch »Fridays for Future« eine Plattform. Einen ähnlichen Fall gab es zum Beispiel schon beim EU-Sondergipfel im Juli. Damals ließen sich dieselben vier Aktivistinnen, die sich gestern mit Merkel getroffen haben, mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ablichten.
Medien, die längst nicht mehr über jede »Fridays for Future«-Aktion berichten, haben in ihrer Berichterstattung zu dem Gipfel nun auch Greta Thunberg zitiert. Das hat geholfen, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass das beschlossene Corona-Aufbauprogramm den Klimaschutzpflichten der EU bei weitem nicht gerecht wird. Greta sprach von einer Kapitulation vor der Klimakrise.
Auch diesmal haben die Aktivist*innen durch einen offenen Brief und eine eigene Pressekonferenz ohne Merkel dafür gesorgt, dass die Kritik an der aktuellen Klimapolitik im Fokus steht. Während des Gesprächs liefen Proteste vor dem Kanzleramt. Das hat sich im medialen Echo widergespiegelt.
Die große Transformation werden wir durch solche Treffen nicht erreichen. Die wichtigste Protestform von FFF ist immer noch der Streik. Das heißt jedoch nicht, dass nicht auch andere Formen aufgegriffen werden können, wie wir es vor allem in der Coronazeit tun. Unter Hygienevorschriften geht es aber schon bald wieder global auf die Straße – am 25. September ist unser nächster Großstreik.
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