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Bayer macht klar Schiff

Der Chemiekonzern sucht den Vergleich mit klagenden US-Kunden

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Bayer AG versucht, alle ihre Rechtsstreitigkeiten in den USA loszuwerden. Am Donnerstagabend kündigte der Leverkusener Konzern eine weitere Milliardenzahlung zur Beilegung juristischer Auseinandersetzungen an. Dieses Mal geht es um das umstrittene Verhütungsmittel »Essure«. Es soll für schwere Nebenwirkungen wie Blutungen, ungewollte Schwangerschaften und sogar für Todesfälle verantwortlich sein. Dabei geht es um Klagen von rund 40.000 Amerikanerinnen. Obwohl es noch zu keinem Prozess gekommen ist, will Bayer an den Großteil der Klägerinnen insgesamt 1,6 Milliarden Dollar zahlen.

Die Gründe für den außergerichtlichen Vergleich sind dieselben wie in anderen Fällen. Bayer-Boss Werner Baumann will sich vor allem nicht länger der negativen Berichterstattung aussetzen. Die Leverkusener sehen sich als führenden Anbieter im lukrativen Geschäft mit »Frauengesundheit«. Doch die ständige Prozessflut untergräbt den Ruf - und das nicht allein in den Vereinigten Staaten.

Außerdem belasten Abertausende Rechtsstreitigkeiten die Bilanzen schon jetzt durch hohe Kosten. Die Anfang August vorgestellten Geschäftszahlen für das zweite Quartal wurden nicht durch Corona verhagelt, sondern durch Rechtsrisiken und Anwaltskosten. Sonderaufwendungen in Höhe von insgesamt 12,5 Milliarden Euro trug der Konzern im Berichtsquartal in die Bücher ein. Ohne diese Sondereinflüsse lag der Gewinn bei 1,7 Milliarden Euro und war damit trotz Corona um rund 7 Prozent höher als im Vorjahresquartal. So lief das Agrargeschäft vor allem in Lateinamerika, Asien und Nordamerika besser als im Vorjahr. Und in Brasilien entwickelte sich das Geschäft mit Maissaatgut für die Rinder- und Geflügelmast »lebhaft«. Besonders deutlich legten die Erlöse mit gentechnisch verändertem Sojabohnensaatgut zu.

Erst Ende Juni hatte Bayer Einigungen in US-Rechtsstreitigkeiten um Glyphosat, Dicamba sowie Polychlorierte Biphenyle (PCB) angekündigt. Der weitaus teuerste Streit ist dabei derjenige um mögliche Krebsrisiken glyphosathaltiger Herbizide. Die Rückstellungen berücksichtigen 125 000 eingereichte und nicht eingereichte Klagen allein wegen Glyphosat. Die Zahl der Betroffenen könnte allerdings noch deutlich höher sein. »Bayer möchte die Geschädigten mit Brotkrumen abspeisen und zukünftigen Kläger*innen den Rechtsweg verbauen«, kritisiert Marius Stelzmann, Geschäftsführer der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG). Für Geschädigte bliebe im Schnitt lediglich eine Summe von 60 000 bis 70 000 Dollar übrig.

Bei dem Verhütungsmittel »Essure« handelt es sich um eine Spirale, die in den Eileiter eingeschoben wird. Das Verhütungssystem wurde von der Firma Conceptus entwickelt. Bayer hatte den US-Hersteller 2013 für 1,1 Milliarden Dollar (rund eine Milliarde Euro) übernommen. Immer mehr Beschwerden von Nutzerinnen und eine einschränkende Regulierung des Verkaufs durch die Gesundheitsbehörde FDA ließen Bayer das Mittel vom Markt nehmen, zunächst außerhalb der USA und 2018 auch dort. Der Konzern betont bis heute, weiterhin hinter der »Sicherheit und Wirksamkeit des Produkts zu stehen«.

Wenn der Kauf von Conceptus bereits ein schlechtes Geschäft war, dann war der Kauf von Monsanto ein Desaster: Erst vor zwei Jahren hatte Bayer den Glyphosat-Erfinder Monsanto für über 60 Milliarden Euro geschluckt. Baumann gilt als Antreiber für die auch wegen des hohen Preises umstrittene Übernahme des US-Saatgutspezialisten. Nach drei verlorenen Prozessen um eine mögliche Krebswirkung durch den Unkrautvernichter hat sich der Konzern nach monatelangen Verhandlungen mit Klägern außergerichtlich geeinigt.

Zeitgleich verkündete Bayer einen Vergleich mit klagenden US-Farmern im Fall des Unkrautvernichters Dicamba. Sie beklagten massive Ernteverluste, weil von benachbarten Feldern Dicamba-Wirkstoffe auf ihre Plantagen herübergeweht sein sollen. Den ersten Prozess um dieses Monsanto-Mittel hat Bayer ebenfalls verloren. Die Hälfte soll der deutsche Konkurrent BASF übernehmen, der ebenfalls Dicamba vertreibt. Derzeit steht ein modifiziertes Dicamba zur Zulassung an, es gilt als ein wichtiges Zukunftsprodukt für Bayer in den USA und Lateinamerika.

Vor lauter Milliardenvergleichen scheint Bayer mittlerweile seine Hausaufgaben zu vernachlässigen. Am Freitag gab die deutsche Finanzaufsicht Bafin bekannt, dass sie eine Geldbuße in Höhe von 340 000 Euro gegen die Bayer AG festgesetzt habe. Der Vorstand hatte Pflichtmitteilungen »nicht rechtzeitig abgegeben«. Das Unternehmen kann gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegen.

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