Wo Neonazis im Internet ihre Netze auswerfen

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) möchte den Cyberextremismus verstärkt durch Aufklärung bekämpfen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Es gibt einige erfolgreiche Computerspiele, bei denen die Nutzer aus der Perspektive eines Fußsoldaten, einer Panzerbesatzung oder eines Kampfpiloten Schlachten des Zweiten Weltkriegs nachspielen. Sie können dabei beispielsweise wählen, ob sie auf britischer, sowjetischer, japanischer oder deutscher Seite ins Geschehen eingreifen. Ihre Mitstreiter und Gegner werden von anderen Menschen gesteuert. Die Mitspieler können sich Profilbilder und Namen geben und im Team miteinander austauschen, ihre Taktik absprechen und auch anderes bereden. Unter den Wehrmachtssoldaten finden sich dann immer wieder welche, die sich als historische Nazigrößen ausgeben und entsprechende Parolen hören lassen.

Nach Meinung von Medienpädagogen kann die Mehrzahl der Jugendlichen, die solche Spiele spielen, die virtuelle Welt von der Wirklichkeit unterscheiden und verhält sich im echten Leben friedlich und tolerant. Und doch nutzen Neonazis die Spiele, um Anhänger zu ködern. In einigen Fällen gelingt ihnen das auch.

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) möchte den Verfassungsschutzbericht 2019 am 7. September vorstellen. Bereits am Mittwoch veröffentlichte sein Ressort vorab das Kapitel »Games, Podcasts und Social Media: Online-Rekrutierungsstrategien von Rechtsextremisten«. Auf 16 Seiten wird informiert, wie die rechte Szene das Internet nutzt, um junge Menschen anzusprechen und für ihre Ideologie zu gewinnen. Das Ziel der Aufklärung: Es soll »Eltern, Lehrern oder Freunden geholfen werden, potenziellen Konsum rechtsextremistischer Internetpropaganda zu erkennen«.

Twitter und Facebook sind dazu übergegangen, einige Accounts zu sperren, die beispielsweise allzu offen antisemitische Hetze verbreiten. Auch die Spieleplattform Steam und die Videoplattform Youtube blockierten zuletzt diverse verfassungsfeindliche Inhalte. Neonazis reagieren darauf, indem sie dort öfter nicht mehr so klar erkennbar auftreten, sondern Nutzer etwas verklausuliert ansprechen und auf andere Netzwerke wie das russische VK oder das US-amerikanische Gab hinüberlocken, wo sie dann Klartext reden. Bei VK präsentiere sich etwa die rechte Modemarke »Black Legion« aus Cottbus, illustriert der Verfassungsschutz mit einem Screenshot. Ein Gründer der rechten Gruppierung »Reconquista Germanica« wird im Bericht mit einer Handlungsanleitung für Anhänger zitiert: »Um im asymmetrischen Medienkrieg die Zensurmaschinerie des Gegners zu überwinden, müssen wir breit aufgestellt, schnell und flexibel sein. Folge uns auf möglichst vielen Plattformen, um den Anschluss nicht zu verlieren und unsere Wirkung zu maximieren.«

Längst nicht alle Nutzer von VK – zumeist handelt es sich ja auch um Russen – sind deutsche Neonazis. Diese treiben sich jedoch auffällig oft dort herum, heißt es. Darum müssten Jugendliche vor der Gefahr gewarnt werden, in solchen Netzwerken in die Fänge von Rechtsextremisten zu geraten. Minister Stübgen hat sich vorgenommen, »die Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Verfassungsfeinden zu intensivieren«. Er will »einen Schwerpunkt auf aktuelle Bedrohungen durch Cyberextremismus« legen.

»Es ist schön, dass sich das Innenministerium jetzt darum kümmert«, findet der Landtagsabgeordnete Andreas Büttner (Linke). Allerdings liege nun lediglich eine Sachstandsdarstellung vor, versehen mit dem Hinweis, man müsse sich um die Verhütung kümmern. Doch das reiche nicht aus, denkt Büttner, wenn man wisse, dass Neonazis auf die Löschung ihrer Propaganda dadurch reagieren, dass sie auf andere Kanäle wechseln. Die Hetze müsste nach Ansicht des Abgeordneten strafrechtlich verfolgt werden, um sie wirksam einzudämmen. Polizei und Justiz seien damit jedoch personell und technisch überfordert. Büttner schlägt vor, die Bekämpfung der Cyberkriminalität zu verstärken. »Dafür braucht man Experten und die kosten etwas«, sagt er.

In der linken Szene und darüber hinaus wird spätestens seit der NSU-Affäre angezweifelt, dass der Verfassungsschutz schon allein wegen seiner Struktur und seiner geheimdienstlichen Vorgehensweise eine verlässliche Quelle und eine geeignete Institution bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus sei. In dem Kapitel im Verfassungsschutzbericht drängt sich der Geheimdienst in der Präventionsarbeit immerhin nicht vor. Er verweist stattdessen auf die Hilfsangebote anerkannter Organisationen im Bundesland wie »Tolerantes Brandenburg«, Institut für Gemeinwesenberatung und Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie.

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