- Berlin
- LGBTIQ-Rechte
»Liebe ohne Grenzen«
Frankfurt (Oder) und Słubice feiern ihre erste gemeinsame Pride-Parade
Homo- und bisexuelle sowie transgeschlechtliche Menschen in Polen kämpfen seit Jahrzehnten für Respekt und gleiche Rechte, erzählt Ira Helten. Sie ist eine der Organisator*innen des ersten gemeinsamen Pride-Marsches der Städte Frankfurt (Oder) und Słubice an der deutsch-polnischen Grenze, der an diesem Samstag stattfinden soll. Nach einer Auftaktveranstaltung in Słubice soll es Richtung Frankfurt (Oder) gehen, wo die Pride auf dem Holzmarkt endet. Es ist eine Solidaritätsbekundung mit LGBT-Personen (englisch für lesbisch, schwul, bi- und transsexuell) in Polen, die es mit Blick auf deren Lebenssituation dringend braucht: Immer mehr queere Menschen erleben Hass, Bedrohung und strukturelle Diskriminierung.
Die Situation habe sich besonders in Hinblick auf die öffentliche Meinung in den letzten Jahren verschlechtert, sagt Helten. Angefeuert von LGBT-feindlichen Kampagnen der rechtskonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). So hetzte der erst im Juli wiedergewählte Präsident Andrzej Duda im Wahlkampf gegen angebliche Verfechter einer »LGBT-Ideologie«. Auch versuche er, queeren Menschen sämtliche Rechte abzusprechen, betont Helten. Fast 100 polnische Regionen, Landkreise und Gemeinden haben sich in den vergangenen Monaten zu »LGBT-freien Zonen« erklärt.
Hinzu kommt, dass auch seitens der polnischen Justiz und Sicherheitsbehörden zunehmend gegen queere Aktivist*innen vorgegangen wird. Erst Anfang August kam es zur Verhaftung der Aktivistin Margot. Sie soll einen Lastwagen mit homo- und transfeindlichen Botschaften beschädigt haben. Sie ist Teil einer Aktivist*innengruppe, der zudem vorgeworfen wird, Denkmäler in Warschau, darunter eine Jesus-Statue, mit Regenbogenfahnen und anarchistischen Symbolen behängt zu haben. Im Umfeld der Verhaftung kam es zu Protesten, bei denen rund 50 weitere Personen festgenommen wurden. Auch einen Tag darauf sammelten sich mehrere Tausend Menschen in der polnischen Hauptstadt, um gegen Gewalt und systematische Homophobie zu demonstrieren.
»Queere Menschen in Polen haben es nicht einfach und es wird immer schwerer«, sagt Helten. Andererseits begännen immer mehr Menschen, sich stärker mit dem Thema auseinanderzusetzen. »Eine gute Weiterentwicklung für die Community.«
Zu dem in Gang gekommenen Diskurs soll auch die grenzübergreifende Pride beitragen. »Liebe ohne Grenzen« ist das Motto der Veranstaltung, die außerdem eine Politik in der Doppelstadt fordert, die »Grenzenlosigkeit und Weltoffenheit auch als Vielfalt geschlechtlicher Identitäten, Beziehungsformen, Lebensentwürfe und sexueller Orientierungen versteht«. Von den Stadtvertreter*innen wünsche man sich neben deutsch-polnischen Beratungsangeboten und Zufluchtsorten für LGBT auch einen gemeinsamen Beschluss, der die Doppelstadt zum diskriminierungsfreien und sicheren Ort für queere Menschen erklärt. »Wir möchten, dass die Rechte von queeren Menschen auf beiden Seiten der Oder anerkannt werden.«
Solidarität mit der polnischen LGBT-Community müsse es gleichzeitig im Rahmen der zahlreichen Städtepartnerschaften geben, so Helten. Allein in Brandenburg sind das gut 65 Partnerschaften - auch mit Kommunen, die sich zu »LGBT-freien Zonen« erklärt haben. Der Lesben- und Schwulenverband rief bereits im April dazu auf, Haltung zu zeigen. Bei unverändert schlechter Situation müsse man »die Art der Zusammenarbeit überdenken«, heißt es in einer Pressemitteilung. Helten verweist jedoch auf die Chance dieser Kooperationen: »Gerade durch Städtepartnerschaften und solidarische Bekenntnisse ermöglicht man Bürger*innen, sich zu informieren oder auch ›Awareness‹ zu schaffen.«
Zumindest auf deutscher Seite habe man viele positive Rückmeldungen bekommen. Auch der Landtagsabgeordnete Andreas Büttner (Linke) will am Samstag in die Doppelstadt reisen: »Die gemeinsame Pride von Frankfurt und Słubice ist ein wichtiges Zeichen für Gleichberechtigung der LGBTIQ-Community«, sagte er dem »nd«. »Gerade vor dem Hintergrund von massiven Repressalien gegen die Community in Polen ist es wichtig, dass wir ein Zeichen setzen für Toleranz und Offenheit, gleich, welche sexuelle Orientierung wir auch immer haben mögen.«
Dass es daran teils mangele, sei bei der Organisation deutlich geworden: »Auf deutscher Seite haben wir die Pride groß publiziert, viele Leute eingeladen und Dialoge angestoßen. Auf polnischer Seite ist das mehr oder weniger über Mundpropaganda verlaufen.« Auch, weil man mit Gegendemonstrationen rechnen müsse, so Helten. Mittlerweile wurden auf polnischer Seite zwei Gegendemonstrationen angemeldet - von einem Kreisabgeordneten der PiS-Partei sowie von einem katholischen Kollektiv.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.