Grünes Pokerspiel in Halle

Sachsen-Anhalt: Cornelia Lüddemann soll die Ökopartei erneut in Regierung führen. Steffi Lemke an Spitze der Landesliste für Bundestag

  • Max Zeising, Halle
  • Lesedauer: 4 Min.

Claudia Dalbert stand diesmal nicht ganz vorn. Die 66-Jährige, einzige Ministerin der Grünen im seit 2016 bestehenden »Kenia«-Kabinett von Sachsen-Anhalt mit CDU und SPD, positionierte sich auf der Parteitagsbühne in Halle etwas weiter hinten. Seitlich versetzt vor ihr: Fraktionschefin Cornelia Lüddemann, die überwältigt lächelte, während Dalbert ebenso wie Co-Landeschef Sebastian Striegel so souverän wie freudestrahlend in die Kameras winkten.

Wenige Momente zuvor war Lüddemann auf dem Landesparteitag der Grünen Sachsen-Anhalts mit gut 85 Prozent der Delegiertenstimmen zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2021 gewählt worden. Sie »übernahm« den Platz von Umwelt- und Agrarministerin Dalbert, die sich nach zwei Spitzenkandidaturen nicht erneut zur Wahl gestellt hatte. Auf Platz zwei der Liste wählten die Innenpolitiker Striegel, der 69,4 Prozent der Stimmen erhielt.

Und dennoch: Als Lüddemann und Striegel nach der Wahl gemeinsam auf die Bühne schritten, gehörte Dalbert wie selbstverständlich dazu. Denn klar ist: Auch wenn sie nicht selbst für den Landtag kandidiert, so dürfte sie auch in Zukunft die wichtigste Grünen-Politikerin des Landes bleiben.

Denn die Partei will weiter regieren, und Dalbert will Ministerin bleiben – das hatte die Partei bereits zuvor deutlich gemacht. Ohnehin würde Dalbert, sollte sie ein Landtagsmandat gewinnen, wohl darauf verzichten. Denn sollte »Kenia« mit Dalbert als Ministerin fortgesetzt werden, wäre dies das bei den Grünen übliche Verfahren. Schon nach der letzten Landtagswahl hatte sie aufgrund der Empfehlung zur Trennung von Amt und Mandat auf ihren Landtagssitz verzichten. Zugleich ist diese Taktik aber auch riskant, denn sollten die Grünen auf der Oppositionsbank landen, wäre Dalbert ohne Mandat.

Da passte es gut ins Bild, dass Dalbert auch die Eröffnungsrede des Parteitags hielt und sich schon ganz im Wahlkampfmodus zeigte. »Wir wollen mehr Einfluss, wir wollen ein stärkeres Gewicht in der Landesregierung«, rief sie ihren Parteifreunden zu. »Wir müssen regieren«, sagte auch Lüddemann in ihrer Bewerbungsrede und verwies auf grüne Erfolge in der aktuellen Legislaturperiode, etwa die Erklärung der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze, des »Grünen Bandes«, zum Nationalen Naturmonument. Allerdings klagte sie auch, die »ständigen Angriffe« des rechten Flügels der CDU hätten »Kraft gekostet und die Koalition nicht nur einmal an den Rand des Scheiterns gebracht«.

Dass die Grünen bereits jetzt mit einer Fortsetzung der »Kenia«-Koalition planen, wies Dalbert zwar im Gespräch mit dem »nd« zurück. Doch auch ihr dürfte klar sein, dass eine weitere Regierungsbeteiligung ohne die CDU kaum möglich sein wird. Rot-Rot-Grün scheint zumindest derzeit außer Reichweite.

Auf eins legte sich Dalbert jedoch fest: Die Grünen werden bei einer weiteren Regierungsbeteiligung mehr als nur ein Ministerium für sich beanspruchen. »Ich halte das für selbstverständlich«, so Dalbert: »Die Lösung, dass der kleine Partner nur ein Ministerium bekommt, ist eine spezifische Lösung in Sachsen-Anhalt. Das ist nur erklärbar über den Schock, den wir damals erlebt haben.« Der Schock, das waren die 24,3 Prozent für die AfD bei der Landtagswahl 2016. »Da haben wir gesagt: Jetzt müssen wir uns zusammenraufen. Da waren wir bereit, bestimmte Kröten zu schlucken.«

Nun ist die Frage, welches weitere Ministerium die Grünen beanspruchen könnten. Als Kandidaten würden die Spitzenkandidaten Lüddemann und Striegel in Frage kommen. Lüddemann wäre eine Anwärterin auf das Verkehrsministerium, Striegel auf das Innenressort – allerdings gilt letzteres als »heilige Kuh« der CDU. Sie wird es sich kaum wegnehmen lassen.

Bislang gibt sich Striegel bezüglich seiner Ambitionen auf ein eigenes Ressort denn auch betont zurückhaltend. »Wir sind thematisch und personell so aufgestellt, dass wir auch jedes andere Ressort besetzen können«, sagte er. Klar ist für ihn: »Es wird in einer neuen Landesregierung nicht nur ein grünes Haus geben.«

Die Stimmung auf dem Parteitag war bei allem gebotenen Abstand aufgrund der Corona-Pandemie recht kuschelig. Die ersten vier Listenplätze waren unumstritten, hinter Lüddemann und Striegel fuhren die Krankenschwester Susan Sziborra-Seidlitz mit 89,4 und der Finanzexperte und Landtagsabgeordnete Olaf Meister mit 92,4 Prozent hervorragende Ergebnisse ein. Sziborra-Seidlitz ist zugleich Co-Vorsitzende des Grünen-Landesverbandes. Auf aussichtsreiche Listenplätze wurden auch die Landtagsabgeordneten Dorothea Frederking und Wolfgang Aldag gewählt. Bemerkenswert: Auf der Liste fand sich auch die ehemalige Weltklasseschwimmerin Antje Buschschulte. Die 41-Jährige wurde auf Platz neun gewählt.

Auch die Kandidaten der Landesliste für die Bundestagswahl im kommenden Jahr wurden in Halle gewählt. Mit Urs Liebau kann sich ein Aktivist der Klimaschutzbewegung »Fridays for Future« Hoffnungen machen, in den Bundestag einzuziehen. Der 25-Jährige wurde nach Steffi Lemke auf Platz zwei der Landesliste gewählt. Liebau errang 59,2 Prozent der Delegiertenstimmen und setzte sich gegen Dennis Helmich durch.

Lemke sitzt seit 2013 im Bundestag. Zuvor war die Dessauerin bereits von 1994 bis 2002 Abgeordnete im Berliner Parlament und von 2002 bis 2013 politische Bundesgeschäftsführerin der Grünen. Die 52-Jährige gehörte zudem Anfang 1990 zu den Gründungsmitgliedern der Grünen in der DDR.

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