Soforthilfe für Frankreich

Regierung will mit 100-Milliarden-Konjunkturpaket Wirtschaft grüner machen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Coronakrise zu überwinden, hat der französische Ministerrat einen mit 100 Milliarden Euro ausgestatteten Plan für die Neubelebung und den Aufschwung der Wirtschaft beschlossen. Bei der Vorstellung des Vorhabens betonte Premierminister Jean Castex, es gehe darum, »die schwerste Krise seit 1929« zu bewältigen.

Das Maßnahmenpaket mit dem Titel »France Relance« (Wiederbelebung für Frankreich) soll erreichen, dass das Land innerhalb von zwei Jahren seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zurückgewinnt. Die Maßnahmen sollen erstens zu einem ökologischen Wandel, zweitens zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und Innovation in der Wirtschaft und drittens zu einem stärkeren sozialen wie territorialen Zusammenhalt führen. Dabei werden für die erste Achse 30 Milliarden Euro bereitgestellt, für die zweite 34 Milliarden und für die dritte 36 Milliarden. Der Regierungschef verwies darauf, dass etwa 40 Prozent der Gesamtsumme aus dem unlängst beschlossenen Hilfsprogramm der Europäischen Union kommen sollen.

Die Notwendigkeit, die Folgen der Coronakrise zu überwinden, sollte laut Castex als Chance für einen gründlichen Strukturwandel in Richtung auf eine »grünere« Wirtschaft genutzt werden. Mit dem Ziel, sowohl Energieverluste zu vermeiden und damit den CO2-Ausstoß zu vermindern als auch die schwer von der Krise betroffene Bauwirtschaft zu beleben, werden 6,5 Milliarden Euro für die Wärmedämmung von Gebäuden vor allem von Wohnhäusern, bereitgestellt. Weitere Maßnahmen betreffen Infrastrukturen für nachhaltigere Mobilität, die Senkung des CO2-Ausstoßes der Industrie und die Förderung »grüner« Technologien, beispielsweise für den Einsatz von Wasserstoff und Biotreibstoff sowie ein effizienteres Recycling.

Um die Wirtschaft zu beleben, soll die Steuerlast für Unternehmen vermindert und vor allem kleinen Betrieben geholfen werden, durch staatlich garantierte Bankkredite über ausreichend Umlaufkapital für den laufenden Betrieb zu verfügen. Mit den Mitteln des Maßnahmepakets soll in innovative Industrien investiert, der Export gefördert und dafür gesorgt werden, dass die für die Versorgung des Landes strategisch wichtigen Kapazitäten von Zweigen wie beispielsweise der Pharmaindustrie nicht mehr ins Ausland abwandern, sondern im Gegenteil nach Frankreich zurückgeholt werden.

Im Interesse des sozialen und territorialen Zusammenhalts soll alles nur mögliche getan werden, um den Verlust von Arbeitsplätzen zu verhindern und Beschäftigungslosen bei der Rückkehr in den Arbeitsprozess zu helfen. Eine zentrale Rolle spielt dabei zunächst die Finanzierung von Kurzarbeit. Mittelfristig soll auch Teilzeitarbeit gefördert werden, wenn dadurch der Verlust von Arbeitsplätzen verhindert werden kann. Für Schulabgänger sollen alle Möglichkeiten für Lehre oder andere Formen der Berufsausbildung genutzt und Prämien für die Einstellung von jugendlichen Berufsanfängern gezahlt werden. Den Regionen des Landes soll mit Mitteln des Maßnahmepakets vor allem geholfen werden, die sozial schwächsten Haushalte finanziell zu unterstützen, aber beispielsweise auch »tote« Stadtzentren wiederzubeleben.

Kritik kommt von der Opposition. Der Ex-Finanzminister der rechtsbürgerlichen Partei der Republikaner, Eric Woerth warnte davor, »die Staatsschulden in nicht mehr beherrschbare Höhen zu treiben«. Dagegen bemängelte der Abgeordnete François Ruffin von der linken Bewegung La France insoumise, dass »die sozial Schwächsten zu kurz kommen« und dass die Finanzhilfen gießkannenartig verteilt werden. Yves Veyrier, Generalsekretär der Gewerkschaft Force ouvrière, nannte das Maßnahmepaket einen »Schritt in die richtige Richtung«. Allerdings sei es falsch, dass die Finanzhilfen für Unternehmen weder mit Umweltauflagen noch mit Verpflichtungen zur Sicherung von Arbeitsplätzen verbunden werden.

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