Verschärfter Fachkräftemangel droht

Arbeitssenatorin Breitenbach fordert mehr Ausbildungsstellen von den Betrieben

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

39 Prozent der Stellen, für die Berliner Betriebe 2019 Fachkräfte gesucht hatten, konnten nicht besetzt werden. Konkret konnten über 54 000 von 185 000 benötigten Beschäftigten mit Berufsausbildung oder Studium nicht gefunden werden. »Wir müssen handeln, vor allem die Unternehmen müssen handeln«, sagt Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Linke) am Montag bei der Vorstellung der Ausgabe 2019 des Betriebspanels Berlin des Instituts für sozialökonomische Strukturanalyse. In der Hauptstadt wurden dafür knapp 800 von bundesweit 15 000 Betrieben befragt. Für nur für ein Fünftel der in der Hauptstadt zu besetzenden Stellen kommen unqualifizierte Bewerber in Frage, bundesweit liegt diese Quote bei einem Viertel. Seit 2010 hat sich der Fachkräftebedarf mehr als verdoppelt, ebenso der Anteil von unbesetzten Stellen, der damals bei 19 Prozent lag.

»Man könnte glauben, letztes Jahr war noch eine völlig andere Zeit«, sagt Breitenbach. »Aber das Thema ist nicht aus der Zeit gefallen. Auf die Coronakrise darf keine Fachkräftekrise folgen.« Denn in Berlin wird schon seit vielen Jahren zu wenig ausgebildet, nun sparen viele Branchen an den Azubi-Stellen, deren Zahl ging im Vorjahresvergleich um fast 14 Prozent zurück.

Die Lage war vorher schon schlecht. Nur die Hälfte aller Betriebe in der Hauptstadt, die ausbilden dürften, taten das 2019 auch. Im Bundesschnitt waren es immerhin 55 Prozent. »Es gibt einen Widerspruch, bei dem was die Unternehmen sagen und was sie tun«, bemängelt die Arbeitssenatorin. Einerseits beklagten sie fehlende Fachkräfte, andererseits zeigten sie ein sehr geringes Engagement, was die Ausbildung der Fachkräfte angehe.

Der Senat plane mehrere Maßnahmen, um den Ausbildungsmarkt zu stützen, erklärt die Senatorin. Das zunächst auf 500 Plätze ausgelegte Berliner Ausbildungsplatzprogramm wurde beispielsweise verdoppelt. »Von den vorhandenen Stellen waren in den letzten Jahren immer so um die 200 besetzt, diesmal waren es fast alle«, begründet Breitenbach den Schritt. Mit einer Verbundausbildung soll bisher unversorgten Jugendlichen ein guter Berufsstart ermöglicht werden.

Die Landesverwaltung selbst konnte bei den Ausbildungsplätzen nur eine sehr kleine Schippe zusätzlich drauflegen. Ganze fünf zusätzliche Ausbildungsplätze, davon vier in den Bezirken, sind es geworden, heißt es in der Antwort der Senatsfinanzverwaltung auf eine Schriftliche Anfrage der SPD-Abgeordneten Bettina König.

Immerhin bieten Senat und Bezirke dieses Jahr über 3200 Ausbildungsstellen an, die Landesbetriebe noch weitere knapp 1000. 600 mehr als 2019 besetzt werden konnten. Elke Breitenbach sieht beim öffentlichen Dienst allerdings noch deutlich »Luft nach oben«. »Wir sind an einem Punkt, an dem wir sehr selbstbewusst heraustreten und sagen können: Wir haben eine gute Ausbildungsqualität, Arbeitsqualität und wir haben Tarifbindung«, sagt die Senatorin. Und nennt als positives Beispiel ihr eigenes Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten, »eine sehr junge Behörde, die viele Stellen besetzen musste«. Mit Tagen der offenen Tür und der Beteiligung an Jobmessen habe diese in Eigeninitiative viele Bewerber gewinnen können.

Weiter unbefriedigend ist die Lage beim Thema »Gute Arbeit«: Zwölf Prozent aller Stellen in Berlin sind befristet, fast doppelt so viel wie im Bundesschnitt. Der Anteil der sachgrundlosen Befristungen ist inzwischen auf 53 Prozent geklettert.

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