Attacken auf linkes Café

Rechtsradikale wollen Aktivisten mit Drohbriefen einschüchtern

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Serie von Drohbriefen aus der rechten Szene gegen linke Einrichtungen im Rhein-Main-Gebiet reißt nicht ab. Das Wiesbadener Bündnis gegen Rechts machte dieser Tage auf einen aktuellen und »besonders widerwärtigen Versuch der Einschüchterung« aufmerksam. Empfänger eines kürzlich zugestellten anonymen Schreibens aus der extremen Rechten waren erneut der links-alternative Stadtteil- und Szenetreff Café Klatsch in Wiesbaden sowie ein weiteres kulturpolitisches Zentrum. Eine Bündnis-Aktivistin beschreibt gegenüber »nd« den Brief als »besonders ekelerregend«. Neue Qualität sei nunmehr, dass die darin enthaltenen handfesten Androhungen von Mordanschlägen durch offensichtliche Hitlerfans nicht nur auf einzelne Einrichtungen abzielten, sondern auch gegen eine breite Zivilgesellschaft gerichtet seien. So benennen die Verfasser als ihre erklärten Feinde ausdrücklich die Umweltbewegung Fridays for Future, Migranten, Aktivisten der Flüchtlingshilfe aus Kirchengemeinden, die Solidaritätskampagne für die US-amerikanische Black-Lives-Matter-Bewegung sowie letztlich alle linken Organisationen. »Erneut wird damit ein solidarisches Miteinander und mitmenschliches Zusammenleben direkt angegriffen«, so die Aktivistin.

»Sie beziehen sich auf Anschläge, die vor Kurzem verübt wurden, und werfen ein düsteres Bild auf Vernetzung, Brutalität und Gewaltfantasien der Rechten in Deutschland«, so ihr Resümee. Dahinter stehen keine »verwirrten Einzeltäter«, sondern rechte Strukturen und Aktivisten. So stehe dieser Brief in der Tradition des Angriffs auf die Synagoge in Halle und der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) 2019 sowie des Hanauer Anschlags im Februar, bei dem zehn Menschen getötet wurden. Die »eigentlich erschreckende Erkenntnis« ist aus Sicht des Bündnisses jedoch, dass eine »zutiefst rechte Gesinnung« auch bei Angehörigen von Polizei und Militär zu finden sei. Dies ist eine Anspielung auf eine Serie von Drohschreiben an Personen des öffentlichen Lebens. Zu den Empfängerinnen solcher Drohbriefe gehören auch die hessische Linksfraktionschefin Janine Wissler und die seit 2018 vom »NSU 2.0« bedrohte Frankfurter NSU-Opferanwältin Seda Basay-Yildiz. »Dabei wurden deren Adressen teilweise von Polizeicomputern abgerufen«, beklagt die Aktivistin. »Bislang erfolgte noch keine definitive Aufklärung seitens der Verantwortlichen.«

Weil »die Grenze des Hinnehmbaren längst überschritten« sei, plant das Bündnis für den 24. Oktober in Wiesbaden eine Demonstration und Kundgebung gegen Rassismus und rechte Strukturen in der hessischen Polizei. »Wer rechte Kräfte zurückdrängen will, muss gegen die Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas kämpfen«, sagt die Linke-Landtagsabgeordnete Elisabeth Kula. Es sei ein Trauerspiel, dass die Ermittlungen im Fall der Morddrohungen gegen vornehmlich prominente Frauen »teils katastrophal vor die Wand gefahren worden seien«, so Kula. Für sie ist es »unfassbar«, dass Polizisten, die als Urheber illegaler Datenabfragen in Wiesbadener Polizeirevieren in Frage kämen, monatelang nicht befragt und ihre Datenträger und Diensträume nicht durchsucht worden seien.

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