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Rollen durch ein wundes Land
Bei dieser Tour de France trifft man zwar weniger Fans an der Strecke, sieht dafür aber mehr Protestaktionen
Die Fans am Straßenrand sind bei dieser Tour de France definitiv weniger als gewohnt. Das liegt zum Teil an der Pandemie. Viele Menschen scheuen sich, zu reisen. Es liegt aber auch daran, dass die Tour in diesem Jahr zum Ende der Schulferien begann und in der zweiten Tourwoche die klassische Urlaubszeit längst vorbei ist. Zeit haben vor allem Rentner. So wie Jacques. Er ist 67 Jahre alt und stammt aus Pau. Er hat sich eine Fanausrüstung für Primoz Roglic zusammengestellt. Jeden Tag pflanzt er ein Banner mit dem Namen, dem Bild und auch der slowenischen Landesfahne des Tourfavoriten vor seinem Auto auf. »Ich habe ihn in Tignes, in den Alpen, trainieren sehen. Er ist einfach reif dafür, diese Tour zu gewinnen«, meint Jacques gegenüber »nd«. Er reist der Tour und einem Idol hinterher - von der Provence über die heimischen Pyrenäen bis zu den Alpen. »Ich freue mich schon auf Meribel, den Col de la Loze«, blickt er auf die 17. Etappe voraus. Dort, so hofft Jaques, wird Roglic alles klar machen für den Gesamtsieg. Die Tour verfolge er schon sein ganzes Leben lang. In der Pandemiesaison will er da keine Ausnahme machen.
Ebenso wenig Pascal. Gemeinsam mit seiner Frau Geraldine besucht er Verwandte in Gap. »Den Trip nutzen wir zu einem Ausflug zur Tour«, erzählt er. Versorgt sind sie gut. Die Kühlbox ist ordentlich gefüllt, der Nachschub an Bier scheint unerschöpflich. Pascal, Geraldine und Schwager Christian haben ihre Campingstühle mitgebracht. Sie bilden eine dieser sonst so typischen Picknickgruppen am Rande der Strecke, die es in diesem Jahr allerdings kaum gibt. Miteinander sitzen, essen, trinken und dabei auf das Peloton warten - dieser Gewohnheit geben sich in diesem Jahr sehr wenig Menschen hin. Die Gruppe um Pascal wirkt wie ein Häuflein Nostalgiker. Sie haben nicht einmal die Masken übergestreift. »Es ist doch so viel Platz zu den anderen hier«, winkt Pascal ab, und versichert: »Wenn die Fahrer kommen, setzen wir sie auf.«
Beruflich ist Pascal in der Psychiatrie beschäftigt. Und was er von dort erzählt, lässt die Tour de France zu einem überflüssigen Event werden. »Viele Einrichtungen sind aufgrund der Infektionsgefahr geschlossen. Das ist einerseits verständlich, andererseits katastrophal. Denn wer psychisch krank ist, um den müssen sich nun die Familien kümmern. Und die sind damit oft überfordert«, berichtet er. Das scheint ein Problem im ganzen Land zu sein. Am Rande der Tourstrecke sieht man immer wieder Aufschriften, die gegen die Schließung von Krankenhäusern und Tageskliniken protestieren. Bei einigen Etappen waren die Protestgraffiti an den Mauern zahlreicher als die zur Anfeuerung auf die Straße geschriebenen Namen der Radprofis. Die Tour de France rollt durch ein wundes Land - in solchen Momenten wird dies besonders deutlich. Umso mehr mag man dann dem Krankenhausmitarbeiter Pascal sein Bier am Rande der Tourstrecke gönnen.
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