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Kramp-Karrenbauer schielt nach China

Die deutsche Außenpolitik sucht einen Mittelweg gegenüber dem Reich der Mitte, doch allzu viel deutet auf Konfrontation

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Kein Kontinent ist so atomar gerüstet wie Asien. China, Indien, Pakistan und Nordkorea besitzen Nuklearwaffen und passende Trägermittel. Die Atommächte Russland und USA - letztere haben Japan und Südkorea unter ihren Nuklearschirm genommen - verfolgen massive Interessen in Asien. Regionen wie Kaschmir, das Südchinesische Meer und Nordkorea bieten jederzeit diverse Möglichkeiten, um Konflikte eskalieren zu lassen, die globale Auswirkungen haben können.

In der vergangenen Woche traf Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) die Botschafter des Berlin ASEAN Committee (BAC). Deutschland, so sagte sie, habe größtes Interesse an einer regionalen Stabilität im indo-pazifischen Raum. Die Region sei für Deutschland von herausragender strategischer Bedeutung und gerade angesichts massiver geopolitischer Umwälzungen setze sie sich «für intensivere Beziehungen zu unseren Wertepartnern in Ost- und Südostasien ein».

Zur Erinnerung: Kramp-Karrenbauer ist nicht Außen- sondern Verteidigungsministerin und zumindest in Friedenszeiten untersteht ihr die Bundeswehr. Umso mehr sollte man hellhörig werden, wenn sie sagt, dass die am 2. September 2020 vom Bundeskabinett verabschiedeten «Leitlinien zum Indo-Pazifik» maßgeblich von ihrem Ministerium mitgestaltet wurden. Der Titel der vom Kabinett verabschiedeten Leitlinien: «Deutschland - Europa - Asien: Das 21. Jahrhundert gemeinsam gestalten». Gemeinsam gestalten - mit wem, gegen wen? Kramp-Karrenbauer klärt die Fragen simpel: «Unsere Partner im Indo-Pazifik fühlen sich von Chinas Machtanspruch zunehmend bedrängt. Sie wünschen sich ein klares Zeichen der Solidarität für geltendes internationales Recht, für unversehrtes Territorium, für freie Schifffahrt.»

Gerade die zehn in der ASEAN vereinten Nationen (Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam, Kambodscha, Laos, Myanmar, und Brunei) seien von der veränderten Machtbalance betroffen, sagt Kramp-Karrenbauer und meint: Schwindet die Stabilität in Südostasien, so ist auch das auf Export orientierte Deutschland betroffen.

Berlin bewegt sich in seiner Asien- und China-Politik auf ganz dünnem Eis. Man braucht das China als Wirtschaftspartner, doch die Zeiten, in denen deutsche Interessen dabei dominierten, sind vorbei. Mit Sorge betrachtet man Pekings in Europa und Afrika bereits erfolgreiche Seidenstraßeninitiative.

Es gab Zeiten, da schickte das Deutsche Reich Soldaten, die ihr blutiges Kolonialhandwerk ausübten. Die militärische Besetzung der Bucht von Kiautschou am Ende des 19. Jahrhunderts, der Staatsvertrag über die Abtretung eines Pachtgebietes und die Sicherung der deutschen Interessenszone in der Provinz Schantung im Jahre 1898 sind Beispiele für das aggressive Auftreten des Deutschen Reiches in Asien. Daheim malte man die «gelbe Gefahr» an die Wand und versuchte den russischen Zaren als Verbündeten wider die asiatische Gefahr zu gewinnen. Im Zweiten Weltkrieg schließlich stand Deutschland an der Seite des japanischen Kaiserreiches, das in China schrecklich wütete.

Die Verhältnisse und damit die Politik gegenüber China hat sich grundlegend geändert. Dennoch beteiligt sich Deutschland an militärischen Übungen und unterstützt die Zusammenarbeit der EU mit ASEAN. Auch durch Rüstungsexporte und - gemeinsam mit Frankreich - im EU-Projekt «Enhancing Security with and in Asia».

Kein Zweifel: China betreibt eine expansive Außenpolitik. Man pocht auf die «Heimkehr» Taiwans, erpresst Nachbarn. Nach den USA hat das Land den größten Verteidigungshaushalt der Welt, seine Flotte ist größer als die der USA, die strategischen Raketen nicht zu unterschätzen. Nach jahrzehntelanger Überheblichkeit wird das «Reich der Mitte» nun auch in den USA als ernsthafter Konkurrent um die Weltherrschaft wahrgenommen. Immer öfter kommt es gerade im Südchinesischen Meer zu direkten militärischen Begegnungen. Nach zu dreisten US-Aufklärungsflügen feuerte Chinas Volksbefreiungsarmee jüngst zwei Raketen ab. Vorerst einfach so ins Meer. Es riecht nach Eskalation. Nicht erst seitdem Donald Trump Präsident ist, wollen die USA ihre Verbündeten in den Kampf gegen Peking einspannen. Im Mai veröffentlichte die USA ein Papier mit dem Titel «US Strategic Approach to the People’s Republic of China». Dessen Inhalt kann durchaus als aggressiv bewertet werden.

Für Deutschland und die EU stellt sich mehr denn je die Frage, wie man sich im eskalierenden US-amerikanisch-chinesischen Konflikt positioniert. Wie viel Schulterschluss mit den USA ist geboten, wie viel eigenständige Politik gegenüber Peking möglich?

«Als global agierende Handelsnation und Verfechter einer regelbasierten internationalen Ordnung darf Deutschland sich im Angesicht dieser dynamischen Entwicklung nicht mit einer Zuschauerrolle begnügen», begründet Außenminister Heiko Maas (SPD) die nun verabschiedeten Leitlinien. Sie betreffen nahezu alle Gebiete der zwischenstaatlichen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und auch der zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit. Deutschland wolle mit Angeboten dazu beitragen, Multilateralismus zu stärken, um Frieden und Wohlstand auch in Asien zu befördern. «Im Rahmen ihrer Ertüchtigungsinitiative unterstützt die Bundesregierung Sicherheitskräfte (darunter Militär, Polizei und Katastrophenschutz) ausgewählter Partner durch Ausbildung, Ausstattung und Beratung.» Und: Deutschland unterstützt «die praktische Zusammenarbeit der Nato mit den indo-pazifischen Partnern insbesondere in den Bereichen Cyberverteidigung, maritime Sicherheit, humanitäre Hilfe und Katastrophenhilfe, Terrorismusbekämpfung, Rüstungskontrolle sowie im Themenbereich Frauen, Frieden und Sicherheit.

Kein Wunder also, dass sich Kramp-Karrenbauer samt Bundeswehr zur Mitarbeit aufgerufen fühlen.

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