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  • Opfer der Franco-Diktatur

Aufarbeitung mit 45 Jahren Verspätung

Den Opfern der Franco-Diktatur in Spanien soll ein würdevolles Gedenken verschafft werden

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Vergleich macht die Dimension klar: Nur in Kambodscha liegen mehr Menschen in Massengräbern verscharrt als in Spanien. Die seit 2018 in einer Minderheitsregierung in Madrid regierenden spanischen Sozialdemokraten (PSOE) machen sich nun daran, die dunkle Geschichte der Franco-Diktatur aufzuhellen. Zusammen mit dem Juniorpartner der Regierungskoalition, der linken Podemos-Partei, hat sie am Dienstag einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Öffnung der Gräber und ein würdevolles Gedenken der Opfer vorsieht. 45 Jahre nach dem Tod des Diktators Franco soll die Aufarbeitung der Verbrechen vorankommen. Das »Gesetz der demokratischen Erinnerung« sieht vor, endlich die Opferfrage anzugehen. Historiker und Angehörige von Republikanern, Kommunisten, Anarchisten sowie baskische und katalanische Nationalisten schätzen, dass 100 000 bis 150 000 Opfer der Diktatur noch in Massengräbern liegen.

Der Staat will sich dafür verantwortlich erklären, Gräber zu öffnen und Opfer zu identifizieren. Sie wurden meist weit entfernt von Kampfhandlungen des Bürgerkriegs (1936-39) aus den Wohnungen gezerrt und ermordet. Oft waren Falangisten die Täter, deren Nachfahren bis heute bei Wahlen antreten können. Auch in der Franco-Diktatur (1939-75) wurden weiter Oppositionelle umgebracht.

Die Opfer sollen nun gezählt und in eine nationale DNA-Datenbank geschaffen werden, um sie identifizieren zu können. Lokale Datenbanken sollen zusammengeführt werden, erklärte der baskische Gerichtsmediziner und forensische Anthropologe Paco Etxeberria. Er wurde von der spanischen Regierung als Berater bestellt. Seit 20 Jahren führt der Professor mit einem Team Exhumierungen und Identifizierungen durch. Im Baskenland, Katalonien und später auch in einigen anderen Autonomieregionen wird das längst von Regionalregierungen gefördert und finanziert. In anderen Regionen waren es private Initiativen, die Exhumierungen geleistet und finanziert haben. Etwa 700 Massengräber mit mehr als 8000 Opfern wurden bisher geöffnet.

Von »Anerkennung, Wiedergutmachung, Würde und Gerechtigkeit für die Opfer« hat die stellvertretende Ministerpräsidentin Spaniens Carmen Calvo vor der Pressekonferenz gesprochen. Möglich werden soll es auch, Unrechtsurteile der Diktatur zu annullieren. Beamte, die an Repression und Folter beteiligt waren, könnten ihre Orden und damit verbundene Zusatzrenten verlieren. Auch Adelstitel könnten aberkannt werden, die Franco verteilt hat, sollte das Gesetz das Parlament passieren. Calvo hofft darauf, darüber »mit der Vergangenheit Frieden schließen« und am »Aufbau der Zukunft« arbeiten zu können.

Obwohl sie auch die Gründung einer spezialisierten Staatsanwaltschaft angekündigt hat, ist klar, dass an der Straflosigkeit für Verbrecher nicht gerüttelt werden dürfte. Die Amnestie, die nach dem Tod des Diktators ausgesprochen wurde, bleibt unangetastet. Dabei können nach internationalem Recht Verbrechen gegen die Menschlichkeit weder verjähren noch amnestiert werden. Der Oberste Gerichtshof in Spanien hat jedoch schon geurteilt, dass diese Verbrechen zum Zeitpunkt des Begehens nicht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewertet wurden, weshalb sie verjährt seien.

Unklar ist, ob Organisationen oder Parteien verboten werden sollen, die die Diktatur wie die Falange verherrlichen. Zwar sieht der Entwurf Geldstrafen von bis zu 150 000 Euro wegen Verherrlichung der Diktatur vor, doch von Verboten wird nicht gesprochen. Calvo sprach mit Blick auf die Franco-Stiftung nur davon, dass es keine »öffentliche Stiftung geben dürfe«, die »mit Steuergeldern gefördert, den Totalitarismus oder Diktaturen verherrlicht«. Noch immer können Spenden an die Franco-Stiftung von der Steuer abgesetzt werden. Von Regierungen der Volkspartei (PP), die von Mitgliedern der Franco-Regierung gegründet wurde, ist sie sogar direkt subventioniert worden. Für Maßnahmen im Rahmen des »Gesetzes zur historischen Erinnerung«, das 2007 unter einer PSOE-Regierung verabschiedet worden war, hatte die PP-Regierung von Mariano Rajoy stets »Null Euro« in den Haushalten eingestellt, rühmte er sich.

Opferverbände bleiben angesichts vergangener Vorstöße wie 2007 skeptisch. »Wenn es keinen politischen Willen gibt, nützt auch kein Gesetz«, sagte Emilio Silva. Der Präsident der Vereinigung zur Herstellung der historischen Erinnerung (ARMH) meint, viele Maßnahmen könnten »sofort« umgesetzt werden. Warum weiter Zeit auf dem parlamentarischen Weg vergeudet wird, versteht er nicht. Opferorganisationen fordern »Handlungen«, da als Opfer nur noch die bleiben, die damals Kinder waren.

Dass der Gesetzesentwurf im Parlament eine Mehrheit findet, steht außer Frage, da außer von der rechtsradikalen Vox und der PP mit keinen Gegenstimmen zu rechnen ist, auch nicht von den neoliberalen Ciudadanos.

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