»Ich wurde Verräter genannt«

David Weissman war einmal ein fanatischer Trump-Unterstützer - nun wirbt er für den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 5 Min.

Wie sehen Sie Donald Trump und die Republikaner heute?
Ich habe den Republikanern immer geglaubt, dass ihnen das Militär wichtig ist. Patriotismus, wissen Sie, all das. Ich bin Armeeveteran, aber Trump hat nichts für Veteranen getan. Ich sehe vor allem viel falschen Patriotismus. Es ist alles leere Gerede. Wir werden benutzt, um Stimmen zu bekommen. Ich verstehe, dass Leuten unsere Fahne wichtig ist – aber was ist mit der Verfassung, und den Freiheiten, die sie garantiert? Die Menschen haben ein Recht darauf, aus Protest gegen Polizeigewalt niederzuknien. Trump dürfte nicht dagegen vorgehen oder Leute ermutigen, es zu tun. Die Menschen haben ein Recht auf Protest. Trump hat Tränengas gegen friedliche Demonstranten eingesetzt. Ja, einige waren nicht friedlich, aber die meisten schon. Das waren viel mehr als die, die Randale gemacht haben, aber rechte Medien zeigen das nicht.

Vor wenigen Jahren haben Sie noch ganz anders gedacht.
Ich lag voll auf Trump-Linie, ich war anti-muslimisch, gegen Black Lives Matter. Ich glaubte an all diese Aufreger, daran, dass die Demokraten uns unsere Rechte wegnehmen wollen. Heute gucke ich keine Fox News mehr, höchstens Ausschnitte, und ich recherchiere die Fakten selber. Ich war immer ein Republikaner, ich bin mit diesen Werten aufgewachsen. Ich war sehr religiös. Ich war gegen LGBT. Als ich älter wurde, habe ich dann für George W. Bush gestimmt, für McCain, Romney und 2016 dann für Trump. Dieses Mal werde ich zum ersten Mal für einen Demokraten stimmen.

David Weissman

David Weissmann aus Florida diente 13 Jahre im US-Militär und war noch vor zwei Jahren ein enthusiastischer Trump-Unterstützer, pöbelte auf Twitter Liberale und Demokraten an. Heute mobilisiert er in den sozialen Medien gegen den US-Präsidenten und versucht, Trump-Anhänger davon zu überzeugen, im November für Joe Biden zu stimmen. Er sieht sich jetzt als liberalen Demokraten. Damit ist er Teil einer Gruppe von rund neun Prozent ehemaliger Trump-Wähler, die laut Umfragen nun für die Demokraten stimmen wollen. Die Geschichte seines Sinneswandels zeigt auch auf, wie die Demokraten in Zeiten hoher ideologischer Polarisierung Trump-Anhänger erreichen können.

Woher kommt Ihr Sinneswandel?
Der kam 2018. Ich war Teil des Trump-Mobs auf Twitter. Leute wie ich haben dort Tweets von Liberalen kommentiert, auch Tweets von Sarah Silverman. Die berühmte Komikerin mit ihren Millionen Followern hat zu meiner Überraschung geantwortet. Ich habe mich gefragt: Sie ist jüdisch, ich bin jüdisch – warum ist sie nicht für Trump? Der ist doch Pro-Israel. Wir hatten dann eine Diskussion, warum sie ihn nicht mag, und warum ich ihn unterstütze. Das Gespräch war respektvoll, und dann wollte ich mehr erfahren. Wissen Sie, ich kannte ja nur diese ganzen Sprüche von Fernsehmoderatoren wie Sean Hannity und Tucker Carlson bei Fox News.

Wie ging es weiter?
Silvermann hat mir dann erklärt, dass man sowohl für Migranten und für das Militär sein kann und dass wir eine Nation von Migranten sind. Dass es Militärangehörige gibt, die abgeschoben werden. Ich dachte mir, das ist verrückt. Ich hatte dann auch Gespräche mit anderen Progressiven, etwa über Abtreibung oder Waffen. Mir wurde immer mehr klar, dass die Republikaner mich belogen hatten über das, was die Demokraten wollen.

Was braucht es, um Trump-Unterstützer zu erreichen und zu überzeugen?
Geduld, Akzeptanz und Fakten. Als Silverman mit mir geredet hat, hat sie nicht gesagt: Hör auf, Trump zu unterstützen! Sondern sie hat mich als das akzeptiert, was ich war. Sie war höflich und geduldig. Ich fühlte mich nicht unter Druck gesetzt. Die Demokraten sollten Trump-Unterstützern sagen: »Ihr seid uns nicht egal, wir werden uns auch um euch kümmern, aber wir kämpfen auch für andere Menschen«. Es gibt eine große Kluft zwischen Demokraten und Trump-Unterstützern, die müssen wir überwinden. Wir müssen den Leuten klarmachen, dass sich Trump nicht wirklich für sie interessiert. Ihm geht es nur um sich. Über 180 000 Menschen sind in den USA an Covid-19 gestorben und Trump ist es einfach egal.

Die Reaktion Ihrer früheren Mitstreiter war, anders als die von Silverman, wenig verständnisvoll.
Oh ja, ich wurde Verräter genannt, als Agent der Demokraten bezeichnet, richtig verrückter Verschwörungstheoriekram. Ein paar der Trolle habe ich einfach blockiert, es ist alles nur Bullshit. Sie greifen aber auch dein Privatleben an, sie versuchen, dich einzuschüchtern.
Sie haben eine Facebook-Gruppe für Ex-Trump-Anhänger gegründet.
Ich möchte damit Menschen, die Trump unterstützt haben und sich nun von ihm abwenden, einen sicheren Raum geben. Unterstützung ist wichtig für alle ehemaligen Trump-Anhänger, damit sie merken: Ich bin nicht der Einzige. Ungefähr 10 000 Leute sind aktuell in der Gruppe. Trumps Umgang mit der Pandemie ist dort gerade besonders Thema. Dieser ist häufig der Grund dafür, warum Leute aufhören, ihn zu unterstützen.

Was glauben Sie, wie sich die Dinge in den Wochen bis zur Wahl im November entwickeln werden?
Ich weiß es wirklich nicht, hoffe auf das Beste. Trump wird versuchen, die Wahl zu manipulieren. Ich meine, er tut es ja jetzt schon. In einer echten und ehrlichen Wahl sollte Joe Biden gewinnen.

Was werden Sie dafür tun?
Ich werde weiter versuchen, Trump-Unterstützer und Republikaner zu überzeugen und ihnen sagen: Hey, es ist okay, seine Meinung zu ändern. Ich werde sie dazu ermutigen, für Biden zu stimmen.

Was passiert, wenn doch Trump gewinnt?
Dann hängt die Demokratie am seidenen Faden. Trump wird dann noch mehr konservative Richter ernennen. Das würde jegliche Möglichkeit progressiver Politik blockieren. Dann werden wir uns weiter in Richtung eines faschistischen Landes entwickeln.

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