Rechtsdrift in Italien?

Lega könnte in der PD-Hochburg Toskana die Mehrheit erringen

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Montag enden in sechs Regionen Italiens zweitägige Wahlen. Bestimmt werden neue Gouverneure und Lokalregierungen. Vier dieser Regionen werden bislang noch von Mitte-links-Bündnissen gehalten. Zudem steht landesweit ein Verfassungsreferendum über die Reduzierung beider Parlamentskammern zur Abstimmung. Der italienische Senat soll sich von 315 auf 200 Senatoren verkleinern, das Abgeordnetenhaus von 630 auf 400 Mandatsträger. Die Befürworter versprechen sich davon eine effektivere Arbeit der Volksvertretungen. Die Gegner mahnen an, dass die Verfassungsänderung nur eine »demagogische Reform« ist, die ohne ein grundsätzlich neues Wahlgesetz keine Wirkung zeigt. Die unterschiedliche Haltung in dieser Frage betrifft jedoch nicht nur das Referendum, sondern nimmt auch Einfluss auf mögliche Wahlbündnisse bei den regionalen Urnengängen.

Lega-Chef Matteo Salvini frohlockt über die Zerstrittenheit innerhalb der Linken sowie mit dem römischen Koalitionspartner Movimento 5 Stelle (M5S). Der Rechtspopulist hofft, den Siegeszug der Mitte-rechts-Bündnisse von 2019 fortführen zu können. Im vergangenen Jahr konnten solche fünf Regionen, die bis dahin sozialdemokratisch regiert wurden, erobern. Sein Hauptaugenmerk legt Salvini auf die Wahl in der Toskana, der traditionellen »roten Hochburg«. Nicht nur Provinzen und Kommunen wurden hier von Kommunisten und Sozialdemokraten dominiert, auch die Regionalregierung selbst lag seit der verfassungsmäßigen Einrichtung 1970 stets in den Händen der Kommunistischen Partei, später des Partito Democratico (Pd). Dass der Lega-Chef gerade hier daran interessiert ist, die Macht zu übernehmen, zielt deutlich auf die Zentralregierung in Rom. Denn in Rom regiert zwar die Koalition aus M5S, Pd, Italia Viva Matteo Renzis und der italienischen Linken, doch in der Toskana konnten sich diese Kräfte nicht auf einen Kandidaten einigen. Gelingt es Salvini, seine Kandidatin Susanna Ceccardi durchzusetzen, wird er dies als Beweis dafür präsentieren, dass die Koalition unter Giuseppe Conte nicht funktionsfähig ist. Seit Wochen tourt der Lega-Chef daher an der Seite seiner Kandidatin durch die Region, sucht vor allem in sozialen und wirtschaftlichen Brennpunkten den Kontakt zu den Bürgern. So unter anderem am früheren Stahlkocherort Piombino. Hier sind nach Abschaltung der Hochöfen 2014 mehr als 3 000 Arbeitsplätze weggefallen, Ersatz dafür gab es nicht.

Dies trifft auch auf den Standort Taranto in Apulien zu. Das frühere Ilva-Stahlwerk ist nicht nur eine gesundheitsgefährdende Umweltschleuder, sondern infolge Produktionsreduzierung auch eine in die Arbeitslosigkeit. Ein Problem, das die Regionalregierung unter Michele Emiliano (wie sein toskanischer Amtskollege Enrico Rossi ebenfalls Pd) nicht in den Griff bekommt. Alle Versuche, in Verhandlungen mit dem neuen Eigentümer ArcelorMittal eine Sanierung und Rettung des Standortes zu erreichen, sind bislang ziemlich erfolglos geblieben. Die Wählerschaft könnte den Sozialdemokraten hierfür diesmal die Quittung geben.

Ähnlich kritisch sieht es auch in Kampanien und in den Marken aus. Auch hier haben es die Mitte-links-Regierungen nicht vermocht, dringende soziale Probleme zu lösen. Der Präsident der Region Kampanien, Vincenzo De Luca (Pd), setzte seinen Hauptschwerpunkt auf Neapel. Sollte er die Regionalwahlen verlieren, will er zumindest bei den demnächst anstehenden Kommunalwahlen in der Hafenstadt den Bürgermeisterposten erlangen.

So kritisch die Lage der Mitte-links-Bündnisse auch ist, bleibt für Salvini doch ein erhebliches Restrisiko. Pünktlich zu den Regionalwahlen kommen immer mehr neue Details zu den »verschwundenen« 49 Millionen Euro früherer Wahlkampferstattungen ans Tageslicht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Geldwäsche und Veruntreuung, drei frühere Buchhalter der Lega befinden sich in Untersuchungshaft beziehungsweise im Hausarrest. Spuren des Geldes führen nach Zypern und auf die Cayman-Inseln, dorthin sollen immerhin 19 Millionen Euro transferiert worden sein. Der Lega-Chef wiegelt ab. Es handele sich um Geld der »alten« Lega Nord und habe mit seiner Partei »Lega - Salvini Presidente« nichts zu tun.

Insgesamt befindet sich das politische Italien in einer desolaten Situation. Eine deutliche Tendenz, wer am Montagabend als Sieger aus dem Rennen gehen könnte, ist nicht abzusehen. Premier Conte hat in der Coronakrise und den Verhandlungen mit der EU viel politisches Geschick gezeigt und weiter hohe Sympathiewerte.

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