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Wir werden schon nicht wie die Grünen
Die Linke muss in der Klimapolitik endlich mit einer Stimme sprechen, fordert Lorenz Gösta Beutin
Umfragen zeigen in schöner Regelmäßigkeit: Die Mehrheit der Wählerschaft der Linkspartei macht sich große Sorgen um den ökologischen Zustand der Welt. Zuletzt waren die Kommunalwahlen in NRW ein Beleg dafür, dass die in der Linken nicht enden-wollende Debatte darum, ob Öko und Linke zusammengehören, empirisch längst entschieden ist. Und zwar eindeutig. Trotz der Corona-Pandemie war das große Thema der Kommunalwahl nicht Gesundheit, nicht Wirtschaft, nicht Freiheit (wie es Masken-Gegner*innen suggerieren). Infratest Dimap kommt zum Schluss: Für die Mehrheit der Wählerschaft im bevölkerungsreichsten Bundesland sind die wichtigsten Umwelt und Klima,
Besonders unter Linke-Anhänger*innen ist die Klimafrage wahlentscheidend. Vier von zehn Linke-Wählerinnen sagen, sie wählen die Partei, weil sie verstanden haben, dass die Zerstörung der ökologischen Lebensgrundlagen eine soziale Existenzbedrohung ist. Auf Platz Zwei kommt Wohnungsbau und Mieten, gleichauf mit Einwanderung und Integration (27 Prozent). Sympathisch! Die Linke-Wählerschaft will das Klima retten, bezahlbaren Wohnraum schaffen, übt Solidarität mit Migrant*innen. Randnotiz für Rechtsversteher*innen: AfD-Wähler*innen kratzt diese Fragen überhaupt nicht.
Sozial, ökologisch, solidarisch, dieser Befund zum Publikum der Linken überrascht keineswegs. Sie findet sich in allen Wahl-Analysen seit der Bundestagswahl 2017. Wäre auch seltsam, wenn nicht. Die Klimakrise rückt näher, davon zeugen Hitzerekorde, Arktisschmelze und Waldbrände. Das wird so bleiben. Trotzdem adressierte bei der letzten Wahl kein einziges Plakat der Partei diese Themen. Die Linke ist zwar in ihren Programmen entsprechend aufgestellt. Im politischen Geschäft ist aber nicht ein schön geschriebenes Papier spielentscheidend. Tore werden nur geschossen, wenn das Publikum hinter der Mannschaft steht. Und sich das ganze Team ans Drehbuch hält. Bei beidem hapert es. Wähler*innen, auch unsere eigenen, trauen der Linken in hohem Maße zu, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Auch beim Mietenthema hat sich die Linke Kompetenz erarbeitet, mehr als alle anderen Parteien. Dieses Vertrauen fällt nicht vom Himmel. Es zeugt von jahrelanger Knochenarbeit von Linken vor Ort, in Initiativen und in Regierungen.
Bei der Klimafrage traut uns kaum jemand etwas zu. Kein Wunder, zu oft wird Klimaschutz von wichtigen Mitspieler*innen im Linken-Team gegen soziale Frage und Arbeitsplätze gestellt. Man treibe Grünen und AfD die Wähler zu, so das Geraune. Die Fakten geben das nicht her. NRW zeigt: Wir brauchen endlich Einstimmigkeit! Weder zur Mietenfrage noch zu sozialer Gerechtigkeit gab es in der Linken je laute Stimmen, die Zweifel am eigenen Programms säen. Ich kann mich nicht an Interviews, Talkshow-Auftritte oder Reden prominenter Linken-Politiker*innen erinnern, in denen die verwirrende Frage gestellt wird, ob der Mietendeckel Wohnraum koste. Ob soziale Gerechtigkeit die Menschen überfordere. Ob der Kampf gegen Harz 4 und gerechte Steuern gut situierte Wähler*innen abschrecke. Das wäre auch völliger Unsinn!
Lesen Sie dazu auch: Wieder Klartext reden. Vor den anstehenden Wahlentscheidungen werfen Thomas Händel und Klaus Ernst die alte Frage auf: Was ist der Kern linker Politik?
In Sachen Klimagerechtigkeit muss das genauso eindeutig werden. Klimaschutz ist keine Bedrohung für soziale Gerechtigkeit, im Gegenteil! Für eine Linke, die ihr eigenes Programm ernst nimmt, reicht es nicht, für den heimischen Arbeiter am VW-Fließband zu streiten (der zumeist männlich ist und überdurchschnittlich gut verdient). Gerechtigkeit ist nur global zu haben. Der Einsatz für geknechtete Menschen von Berlin bis Bangladesch, der Schutz der Natur im Dannenröder Wald und am Amazonas, die Sorge um die Küste in Kiel und der Korallenriffs in Australien, sie gehören zusammen. Unter Androhung des Untergangs macht die Klimakrise einen radikalen Abschied von Öl, Gas und Kohle zur sozialen Notwendigkeit. Wir als Linke müssen dazu klare Antworten geben. Der Aktionsplan Klimagerechtigkeit der Bundestagsfraktion gibt diese Antworten. Wir werden dadurch nicht zu Grünen. Werden wir aber nicht zu grünen Linken, hat unsere Partei ihre Daseinsberechtigung verloren. Stellen wir die ökologische Frage gegen die soziale, wird die Linke wie der Regenwald, das Polareis, die Artenvielfalt und die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen von ganz alleine verschwinden.
Der Autor lebt in Kiel und ist Klima- und Energiepolitiker der Linken im Bundestag.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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