- Kommentare
- Menschenhandel
Zweierlei Maß
Birthe Berghöfer über moderne Sklaverei in der Fleischindustrie
Die Fleischindustrie schockiert wieder einmal mit einem Skandal: Bundesweit wurden am Mittwoch Razzien gegen illegale Leiharbeit durchgeführt. Es geht um den Vorwurf der banden- und gewerbsmäßigen Einschleusung von Arbeitskräften sowie Urkundenfälschung. Dass in Schlachtbetrieben neben unwürdigen Arbeitsbedingungen und Ausbeutung auch Menschenhandel ein Problem ist, ist aber nicht neu. Dennoch hält sich Billigfleisch hartnäckig in den Supermarktregalen.
Während also ein skandalöser Schlachtbetrieb nach dem anderen der Karriere des Billigfleischs nichts anhaben kann, wird in anderen Branchen mit weitaus strengerem Maß gemessen: Beharrlich fordern einzelne, teils bekannte Politiker*innen immer wieder ein Sexkaufverbot und die Abschaffung von Prostitution. Denn Sexarbeit sei unweigerlich mit Menschenhandel zum Zweck sexueller Ausbeutung verbunden. Und in der Tat ist Zwangsprostitution ein Problem. Schleuser*innen holen Menschen, oft aus Osteuropa, mit gefälschten Dokumenten nach Deutschland. Diese leben eingepfercht in kleinen Unterkünften; die meiste Zeit des Tages werden sie jedoch zur Arbeit als Prostituierte gezwungen. Auch in Kosmetiksalons, in der Gastronomie oder auf Baustellen werden persönliche und wirtschaftliche Notlagen von Menschen ausgenutzt, um diese auszubeuten. Die Fleischindustrie ist da keine Ausnahme.
Doch es ist fast ausschließlich der Menschenhandel im Kontext sexueller Dienstleistungen, der konsequent und prominent angeprangert wird, bis hin zu Forderungen nach der Abschaffung einer ganzen Erwerbsbranche. Rufe nach einem »totalen Verbot des Fleischkonsums« sind hingegen schwer vorstellbar. Im Gegenteil: Bei einer Kochsendung wählte Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner für ihre Frikadellen sogar Rinderhackfleisch der allerbilligsten Sorte.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.