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Geheimoperation Amtseinführung
Der belarussische Präsident Lukaschenko erklärt die Proteste der Oppositionsbewegung für gescheitert
Der Mittwoch gehörte bisher nicht zu den klassischen Protesttagen der belarussischen Oppositionsbewegung. Dennoch versammelten sich am Abend mehrere Tausend Menschen in der Minsker Innenstadt, nachdem sich im Laufe des Tages die Nachricht über die sechste Amtseinführung von Präsident Alexander Lukaschenko verbreitet hatte. Staatliche Sicherheitskräfte gingen wiederholt gewaltsam gegen die Protestierenden vor, nach Angaben des Innenministeriums wurden landesweit 360 Menschen festgenommen. Am Mittwochmorgen war bereits der Chefredakteur der Zeitung »Nascha Niwa«, Jegor Martinowitsch, verhaftet und seine Wohnung durchsucht worden.
Die Amtseinführung glich einer gut orchestrierten Geheimoperation: Eine offizielle Ankündigung gab es nicht, informiert waren nur etwa 700 geladene Gäste im Unabhängigkeitspalast, überwiegend Staatsbedienstete, Angehörige der Armee und regierungstreue Intellektuelle. In der Öffentlichkeit verbreitete sich die Nachricht erst, nachdem Passanten die Wagenkolonne des Präsidenten sahen. Das Zentrum von Minsk war zuvor weiträumig abgesperrt worden. Sogar das belarussische Staatsfernsehen hüllte sich in Schweigen und verzichtete darauf, Lukaschenkos Einführungsrede zu übertragen.
Der Präsident nutzte die Zeremonie zu einer Kampfansage an die Protestbewegung. »Der Tag der Amtseinführung ist der Tag unseres gemeinsamen Sieges«, sagte Lukaschenko. »Wir haben nicht einfach nur einen Präsidenten gewählt. Wir haben unsere Werte verteidigt, unser friedliches Leben, die Souveränität und die Unabhängigkeit.« Die Protestbewegung dagegen sei gescheitert. Es habe einen »teuflischen Druck« auf das Land von außen gegeben. »Wir sind im Kreis der wenigen - wir sind vielleicht sogar die einzigen -, wo die ›farbige Revolution‹ keinen Erfolg hatte«, erklärte Lukaschenko.
Zwar hat Lukaschenko sich als Reaktion auf die Proteste öffentlich zum Dialog mit der Opposition und Verfassungsänderungen bekannt. Seine jüngsten Aussagen deuten jedoch auf eine weitere Verschärfung der politischen Repression hin. Der einzige Weg, um in Zukunft zu überleben, sei ein »starker Machtapparat«, betonte er am Mittwoch.
Swetlana Tichanowskaja, Oppositionskandidatin bei den Präsidentschaftswahlen, bezeichnete die Amtseinführung als »Farce«. Die Protestbewegung erkennt das offizielle Wahlergebnis, dem zufolge Lukaschenko mit 80 Prozent der Stimmen gewonnen hat, nicht an.
Eine Sichtweise, die in der EU geteilt wird. Aufgrund der »gefälschten Ergebnisse« der Präsidentschaftswahl fehle es der sogenannten Amtseinführung an »jeglicher demokratischer Legitimität«, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Donnerstag. Brüssel werde seine Beziehungen zu Minsk auf den Prüfstand stellen. Aufgrund des gewaltsamen Vorgehens gegen Demonstranten plant der Staatenbund Sanktionen gegen 40 belarussische Regierungsmitglieder. Allerdings blockiert Zypern die Strafmaßnahmen bislang. Auf einem EU-Gipfel am 1. und 2. Oktober in Brüssel soll darüber beraten werden.
Die geplanten EU-Sanktionen dürften die außenpolitische Ausrichtung von Belarus auf die Eurasische Union unter russischer Führung und China beschleunigen. Am Donnerstag bedankte sich Lukaschenko bei einem Treffen mit dem chinesischen Botschafter für die Unterstützung. In den vergangenen Jahren haben beide Länder ihre Wirtschaftsbeziehungen deutlich intensiviert, außerdem ist China nach Russland der zweitgrößte Kreditgeber für Belarus.
Auch die Beziehungen zu Russland werden weiter vertieft. Genauso wie China erkennt die russische Führung das Wahlergebnis an. Der kürzlich beschlossene Milliardenkredit für Belarus stabilisiert zudem die angeschlagene Wirtschaft des Landes. Weiter ist ein Ausbau der militärischen Kooperation geplant. Damit droht Europa immer stärker in geopolitische Blöcke zu zerfallen.
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