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Wissen ohne Wert
Der Abschlussbericht zur rechten Terrorserie in Neukölln nennt die Täter, enthält aber keine neuen Beweise
Mehr als 100 Seiten hat der Abschlussbericht der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) »Fokus«, die seit Mai 2019 die rechtsextreme Anschlagsserie in Neukölln untersucht hat. Am Montag wurde der Bericht im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses vorgestellt - das Ergebnis lässt sich in nur wenigen Worten zusammenfassen: Die Ermittlungsbehörden haben nichts in der Hand. Zwar geht die Polizei weiterhin davon aus, dass die Neonazis Sebastian T., Tilo P. und Julian B. die Täter sind, nachweisen können sie es ihnen allerdings nicht. »Trotz großer Anstrengungen der BAO Fokus ist es uns nicht gelungen, neue Beweise zu finden«, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Montag bedauernd.
Seit Jahren terrorisieren Neonazis Antifaschist*innen in Neukölln, 72 Straftaten zählt die Polizei, darunter 23 Brandstiftungen, eingeworfene Fenster und Graffitis mit Morddrohungen an Hauswänden. Immer wieder kam es zu »Ermittlungspannen«, im Raum steht der Verdacht von Verstrickungen der Ermittlungsbehörden ins rechte Tätermilieu, weshalb im August die Generalstaatsanwaltschaft die Ermittlungen im sogenannten Neukölln-Komplex übernommen hat. Im Abschlussbericht heißt es dazu, dass keine Hinweise über ein rechtes Netzwerk innerhalb der Polizei gefunden werden konnten. Auch in Bezug auf ein Treffen zwischen einem LKA-Beamten mit dem Hauptverdächtigen Sebastian T. gebe es »mehr Zweifel als Beweise«, und der Verdacht, dass Beamt*innen Daten von Opfern an die Täter weitergegeben haben, habe sich ebenfalls nicht bestätigt.
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Kein Durchbruch bei den Ermittlungen, aber auch keine Beweise für ein rechtes Netzwerk bei der Polizei. Für den innenpolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion, Benedikt Lux, ist der Bericht »nicht geeignet, um das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden bei der Verfolgung rechtsextremer Straftaten wiederherzustellen«. Zentrale Fragen zu möglichen Verstrickungen einzelner Polizeibeamter ins rechte Milieu würden »nicht intensiv geklärt«. Auch sonst seien die Ergebnisse eher mager. »Eine wirklich konsequente Verfolgung von rechtsextremen Straftaten sieht anders aus«, urteilt Lux. »Wie viele Hausdurchsuchungen gab es - eine? Wie viele offene Haftbefehle wurden vollstreckt? Welche weiteren Maßnahmen gab es?« Angesichts der fehlenden Bemühungen sei es kein Wunder, dass sich die Täter so sicher fühlten, findet der Politiker. Dass es auch anders geht, zeige der Ermittlungsaufwand bei kriminellen arabischstämmiger Strukturen. Der Innenpolitiker fordert daher, den Kontroll- und Verfolgungsdruck auf Rechtsextreme erheblich zu erhöhen, nicht nur in Neukölln. Auch bei vermeintlich kleineren Verstößen müsse die Polizei Präsenz zeigen und rechte Straftaten konsequenter verfolgen.
Der Innenexperte der Linksfraktion, Niklas Schrader, sieht durch die mangelnden Erkenntnisse die Forderung der Betroffenen nach einem unabhängigen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss bestätigt. »Bestimmte Verdachtsmomente die im Raum stehen, wie rechte Netzwerke oder Datenabflüsse aus der Polizei, kann die Polizei nicht selbst ausräumen«, ist er überzeugt. »Sie ist kein neutraler Akteur, das muss von außen untersucht werden.«
Das soll nun bald geschehen, wenn auch nicht durch einen Untersuchungsausschuss. Innensenator Andreas Geisel (SPD) kündigte an, dass der Senat am Dienstag über den Einsatz einer externen Kommission beraten wird, die Anfang Oktober ihre Arbeit aufnehmen soll. Einen Untersuchungsausschuss sieht er wegen der noch laufenden Ermittlungen kritisch. Geisel warnt davor, Ergebnisse erzwingen zu wollen. »Ein rechtsextremes Netzwerk in der Polizei existiert scheinbar nicht, und das ist auch gut so.« Trotzdem werde dies durch die Kommission noch einmal geprüft. »Wir sehen der Sonderkommission gelassen entgegen«, so Polizeipräsidentin Slowik.
So wenig die BAO »Fokus« in den vergangenen Monaten auch herrausgefunden hat, etwas Neues steht in dem Abschlussbericht dann doch: Dass der Neuköllner Linke-Politiker Ferat Kocak vor dem Brandanschlag auf sein Auto nicht gewarnt wurde, obwohl der Verfassungsschutz um die Bedrohung wusste, wurde bisher damit begründet, dass die Beamten beim Abhören seinen Namen falsch notiert hatten. Die schriftliche Suche nach dem Namen »Kotschak« habe im System keinen Treffer ergeben, hieß es.
Niklas Schrader bemängelte am Montag, dass auch eine phonetische, also eine eingesprochene, Suche nicht zum Erfolg geführt hätte, weil die Software nur auf deutsche Namen ausgerichtet sei. »In was für einer Welt leben Sie denn?«, empört sich Schrader und fordert, diesen »gravierenden Missstand« schell zu beseitigen.
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