- Politik
- Corona und soziale Folgen
Studenten verschulden sich in Coronakrise mit rund einer Milliarde Euro
Über 30.000 Anträge auf Studienkredite gestellt / Seit Mai müssen keine Zinsen mehr gezahlt werden
Berlin. In den vergangenen fünf Monaten haben Zehntausende Studenten Kredite in Höhe von insgesamt fast einer Milliarde Euro bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) beantragt. Das geht aus einem Schreiben des Bundesbildungsministeriums an den Haushaltsausschuss des Bundestages hervor, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Demnach wurden von Mai bis September rund 30 800 Anträge auf einen KfW-Studienkredit in einer Gesamthöhe von 919,6 Millionen Euro gestellt.
Das sind fast vier mal so viele Anträge wie im gleichen Zeitraum vor einem Jahr. Von Mai bis September 2019 wurden nach Angaben einer KfW-Sprecherin 8500 Anträge auf einen KfW-Studienkredit gestellt mit einem Gesamtvolumen von 315 Millionen Euro. Die Sprecherin bezeichnete 2019 als durchschnittliches Jahr. Die Vertragsabschlüsse liegen demnach sonst im Jahresschnitt bei gut 23 000.
Seit Mai müssen für Studienkreditverträge keine Zinsen mehr gezahlt werden. Das gilt noch bis März 2021 und ist als Hilfsmaßnahme in der Corona-Krise gedacht. »Das Angebot wird sowohl von deutschen wie auch von ausländischen Studierenden stark nachgefragt«, heißt es in dem Schreiben des Bundesbildungsministeriums. Der Studienkredit wurde für die Zeit der Zinsfreistellung auch für Studenten aus dem Ausland geöffnet. Grundsätzlich werden über den KfW-Studienkredit maximal 650 Euro im Monat für bis zu 14 Semester ausgezahlt - also maximal 54 600 Euro.
Als weitere Corona-Hilfe hatte das Bundesbildungsministerium einen vorübergehenden Notfonds aufgelegt. Von Juni bis September dieses Jahres wurden bis zu 500 Euro pro Monat an diejenigen ausgezahlt, die über ihre Kontoauszüge nachweisen konnten, dass sie durch weggebrochene Einnahmen etwa aus Studentenjobs in eine finanzielle Notlage geraten sind. Dieses Geld muss nicht zurückgezahlt werden.
Der hochschulpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Jens Brandenburg, kritisierte die Hilfen der Bundesregierung als unzureichend. Der KfW-Kredit sei keine Lösung für die Finanzprobleme der Betroffenen. Die Zinsfreiheit sei eine »Mogelpackung«. »Schon im April werden wieder über vier Prozent Zinsen fällig. Das ist keine krisenfeste Studienfinanzierung, sondern ein halbherziger Neukundenrabatt für die Förderbank.« Die Koalition hätte stattdessen das BaföG öffnen sollen, mit zinsfreier Rückzahlung erst bei gutem Einkommen nach dem Studium, so Brandenburg. »Es ist höchste Zeit für eine strukturelle Reform des BaföG zu einer elternunabhängigen Förderung«, sagte Brandenburg. dpa/nd
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!