Offiziell 725 Neonazis mehr in Hessen
Hessischer Verfassungsschutz: mehr rechts motivierte Straf- und Gewalttaten im Jahr 2019
Nach Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat nun auch sein hessischer Amtskollege Peter Beuth (CDU) anerkannt, dass der »Rechtsextremismus« derzeit die größte Gefahr für die demokratische Ordnung ist. Dies war jedenfalls seine Einschätzung bei der Vorstellung des neuen Verfassungsschutzberichts für das Bundesland am Freitag in Wiesbaden.
Der Inlandsgeheimdienst sieht eine steigende Zahl von Gefährdern mit neofaschistischem Gedankengut. Zudem ist die Zahl der »rechts motivierten« Straf- und Gewalttaten 2019 gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen. Beuth und der Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV), Robert Schäfer, kündigten an, alles dafür zu tun, um den »Druck auf die Szene« weiter zu erhöhen.
Dem Bericht zufolge wurden in Hessen insgesamt 2200 Neonazis gezählt und damit 725 mehr als 2018. Der Anstieg ist laut Beuth und Schäfer insbesondere darauf zurückzuführen, dass seit Februar vergangenen Jahres der radikale »Flügel« der AfD sowie die Jugendorganisation der Partei, »Junge Alternative« vom LfV beobachtet werden. Die Behörde geht davon aus, dass dem »Flügel«, der sich im Frühjahr dieses Jahres offiziell aufgelöst hat in Hessen etwa 600 und der JA von rund 50 Personen zuzurechnen sind. Die Zahl der als gewaltorientiert eingestuften Rechtsextremisten nahm um 160 auf 840 zu.
Die Zahl der rechten Straftaten stieg von 539 auf 886 (plus 64 Prozent), darunter waren 31 Gewalttaten gegenüber 25 im Vorjahr. Darunter waren vor allem der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und die Schüsse auf einen Eritreer in Wächtersbach. Für den Mord an Lübcke muss sich seit Juni 2020 der Neonazi Stephan E. vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main verantworten. Der als Mordhelfer angeklagte Markus H. wurde vergangenen Donnerstag aus der Haft entlassen. Schon im Februar 2020 kam mit dem rassistisch motivierten Mordanschlag auf neun Menschen mit Migrationsgeschichte in Hanau hinzu. Insgesamt registrierte das LfV für 2019 gut 1000 »extremistische« Straf- und Gewalttaten, von denen also fast 89 Prozent rechts motiviert waren.
Mit Blick auf den Islamismus sprach LfV-Chef Schäfer von »trügerischer Ruhe«. Auch wenn es derzeit keine konkreten Hinweise gebe, müsse jederzeit mit Anschlägen gerechnet werden. Als Islamisten gelten in Hessen 4170 Personen. Zum »linksextremen Spektrum« zählt die Behörde 2600 Personen, 30 mehr als 2018. Es wurden 65 »links« motivierte Straftaten (2018: 48) registriert, darunter fünf Gewalttaten (2018: 13).
Nach Angaben des Innenministeriums und des LfV gab es seit der Gründung einer sogenannten »besonderen Aufbauorganisation« im Juli 2019 bereits über 220 Einsätze gegen die rechte Szene. Eine weitere Sondereinheit überprüft Rechtsextremisten, die als »abgekühlt« gelten. 41 Menschen mit unauffälliger Vita seien dadurch intensiver beobachtet worden. nd/Agenturen Kommentar Seite 8
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.