Sperrstunde und strengere Kontaktverbote

Berliner Senat beschließt neue Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Nachdem die Zahl der Corona-Infektionen zuletzt immer weiter gestiegen ist, gelten in Berlin bald eine nächtliche Sperrstunde und strengere Kontaktverbote für drinnen und draußen.

Die meisten Geschäfte sowie alle Restaurants und Bars müssen von 23.00 Uhr bis 06.00 Uhr schließen. Ausnahmen sind etwa für Apotheken oder Tankstellen geplant, letztere dürfen in der Nacht aber keinen Alkohol mehr verkaufen.

Rote Brause - der Berlin-Podcast

Was war letzte Woche noch mal wichtig in Berlin? Plop und Zisch! Aufgemacht! Der Podcast „Rote Brause“ liefert dir alle wichtigen News aus der Hauptstadtregion in nur 15 Minuten. 

Im Freien dürfen sich von 23.00 Uhr bis 06.00 Uhr nur noch fünf Personen oder Menschen aus zwei Haushalten versammeln. An privaten Feiern in geschlossenen Räumen dürfen nur noch maximal 10 statt bisher 25 Personen teilnehmen.

Das beschloss der Senat am Dienstag und zielt damit vor allem auf private Feiern und illegale Partys, die die Berliner Behörden als Treiber des Infektionsgeschehens sehen. Die neuen Regeln sollen ab Samstag gelten - und sind zunächst bis 31. Oktober befristet.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) verteidigte die Entscheidungen: »Ich bitte Sie alle einzuordnen, wie die Situation wäre, wenn wir nicht entschlossen handeln«, sagte er am Dienstagabend nach der Sondersitzung des Senats. »Wir würden in eine Situation kommen über kurz oder lang, wo wir noch ganz andere Maßnahmen ergreifen müssten in Richtung eines Lockdowns, wo es nicht Einschränkungen geben würde für die Gastronomie zum Beispiel, sondern überhaupt keine Möglichkeit mehr, gastronomische Betriebe aufrecht zu erhalten.« Das gelte es zu verhindern.

Auch Kultursenator und Bürgermeister Klaus Lederer (Linke) warnte vor schlimmeren Folgen. »Die Lage ist eindeutig sehr ernst«, sagte er. Wenn der Anstieg der Neuinfektionen nicht abgefangen werde, dann sei zu einem an einen Lockdown erinnernden Zustand wie im März und April kaum eine Alternative denkbar. Lederer sagte, das gesellschaftliche Leben müsse verlangsamt werden. »Wir müssen alle Menschen auffordern, auf unnötige soziale Kontakte zu verzichten, private Kontakte auch einzuschränken.«

Nach den Worten von Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) werden auch die Bußgelder für Verstöße gegen die Corona-Regeln erhöht. Er ermunterte zudem die Bezirke ausdrücklich, Gastro-Betriebe bei Verstößen vermehrt dauerhaft zu schließen, wenn nichts anderes helfe.

Nach Angaben der Politiker könnten auch Teile der Verwaltung wieder stärker heruntergefahren werden, um Ansteckungsgefahren zu verringern. Oder umorganisiert, um Beschäftigte dort einzusetzen, wo sie im Moment besonders gebraucht werden, etwa bei der Nachverfolgung von Kontakten. Der Service in den Bürgerämtern, wo es während der Pandemie zwischenzeitlich große Probleme gab und teils noch gibt, solle »leistungsfähig« bleiben, betonte Müller.

Der Regierungschef wies Kritik an Berlin zurück. Auch andere große Städte wie München, Köln oder Frankfurt hätten überdurchschnittlich hohe Werte bei den Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. »Wer kann eigentlich auf dieser Grundlage mit dem Finger auf wen zeigen?«, fragte er. »Wir haben alle was zu tun.«

Erst seit vergangenem Samstag gelten in Berlin neue Beschränkungen, die der Senat in der Vorwoche beschlossen hatte: Private Feiern im Freien mit mehr als 50 Teilnehmern sind seitdem verboten. In geschlossenen Räumen gilt eine Obergrenze von 25 Teilnehmern. Neu ist auch eine Maskenpflicht in Bürogebäuden.

Trotz dieser Beschlüsse war Berlin wegen des raschen Anstiegs der Infektionszahlen weiter unter Druck geraten. Mehrfach forderten Vertreter der Bundesregierung öffentlich, die Stadt möge mehr zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und zur Durchsetzung der Regeln tun, zuletzt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Unterdessen zeigt das Berliner Ampelsystem zur Bewertung der Corona-Lage dem Senat zum ersten Mal Handlungsbedarf an. Laut Gesundheitsverwaltung liegt nunmehr neben der Zahl der Neuinfektionen im Verhältnis zur Einwohnerzahl in den vergangenen sieben Tagen auch die Reproduktionszahl über den als kritisch definierten Grenzwerten. Damit steht die Ampel nun auf Doppel-Rot. Für diesen Fall hatte der Senat vereinbart, dass die Umsetzung von Maßnahmen erforderlich wird.

Die Corona-Ampel berücksichtigt drei Indikatoren: die Reproduktionszahl (kurz R-Wert), die Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen und die Auslastung der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten. Für jedes Kriterium wurden Grenzwerte definiert. Werden sie mindestens drei Mal in Folge überschritten, wechselt die Ampelfarbe.

Auf Rot gesprungen ist die Ampel nun auch bei der Reproduktionszahl - mit einem Wert von 1,26. Das bedeutet, dass ein Infizierter mehr als einen anderen Menschen ansteckt. Um die Pandemie zu bremsen, müsste der Wert kleiner als 1 sein. Bei den Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen wird inzwischen ein Wert von 44,2 erreicht - und liegt damit nur noch knapp unter der als kritisch eingestuften Schwelle von 50. In den Innenstadtbezirken sind die Werte deutlich höher als am Stadtrand, Neukölln sticht mit 87,3 heraus. Das Ampelsystem war im Mai in Berlin eingeführt worden. dpa/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -