Häuserkampf in Sachsen
Nach der Besetzung im September in Leipzig ist die Diskussion um leer stehenden Wohnraum lauter geworden
Die Ludwigstraße 71 in Leipzig ist im wahrsten Sinne des Wortes zugemauert. Die Holztür ist nicht mehr zu sehen, und die Fenster sind verbarrikadiert. Selbst hinter den Scheiben im ersten Stock blitzen schmucklose weiße Steine hervor. Vermutlich eine Vorsichtsmaßnahme, um weitere Besetzer*innen fernzuhalten. Die Einnahme des Hauses am 21. August durch die Gruppe «Leipzig besetzen» und darauf folgende Demonstrationen führten zu vielen Diskussionen und einem großen Medienecho. Doch seit die Polizei die Besetzer*innen am 2. September vertrieben hat, steht das Haus leer, wie die Jahre davor auch.
Auf seiner Website schreibt «Leipzig besetzen», sie wollten mit ihrer Aktion für erschwinglichen «Wohnraum, als Ort für soziokulturelles Schaffen und nachbarschaftliche Vernetzung» eintreten und dafür auch weitere leer stehende Häuser besetzen.
Aktuell gäbe es aber keine weiteren Besetzungen in Leipzig, erklärt Juliane Nagel, «höchstens ein paar stille». Die Abgeordnete der sächsischen Linken ist bekannt für ihre Kontakte in die autonome Szene. Stille Besetzungen sind solche, bei denen die Aktibist*innen nicht, wie in der Ludwigstraße 71, durch Transparente und Pressemeldungen auf sich aufmerksam machen, sondern leer stehenden Wohnraum still für sich nutzen.
Werden derlei Raumnahmen öffentlich, wird heute schneller geräumt, weil die Eigentümer*innen leichter zu ermitteln sind als noch kurz nach der Wende. Die Besitzverhältnisse seien heute klarer, sagt Nagel, und die Häuser befinden sich eher in Privatbesitz. Heute schafft es die Polizei innerhalb weniger Stunden, die Eigentümer*innen ausfindig zu machen. Und nur, wenn diese Anzeige erstatten, kann die Polizei räumen.
Thomas Löser sitzt für die Grünen im sächsischen Landtag. Für ihn sind friedliche Hausbesetzungen zumindest ein politisch vertretbares Mittel, um auf Leerstand hinzuweisen und konkrete Diskussionen anzuregen. Er betont das Wort «friedlich». Ihm erscheine es so, dass manche Eigentümer*innen ihre Häuser absichtlich über Jahrzehnte leer stehend verfallen ließen. Gerade mit Blick auf den angespannten Wohnungsmarkt in Leipzig und Dresden sei das ein Problem. Durch Besetzungen gäbe es dann öffentliche Debatten darüber, was mit Geländen und Gebäuden passieren solle.
Der Leerstand auf der einen, die drohende Wohnungsknappheit auf der anderen Seite - das ist auch in Leipzig in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Laut einer aktuellen Studie, die der Stadtrat in Auftrag gab, sollen geschätzt noch 12 000 Wohnungen leer stehen. In den vergangenen Jahren ging die Anzahl zwar stark zurück, aber sichtbar ist der Leerstand bis heute.
Eigentliches Ziel der Studie war, die Zweckentfremdung von Wohnraum in Leipzig zu untersuchen. Die Verfasser*innen kamen zu dem Ergebnis, dass es «kommunaler Handlungsmöglichkeiten» bedarf - besonders bei spekulativem Leerstand und «der Umnutzung ganzer Wohngebäude in Ferienwohnungen». Beides verknappe den preisgünstigen Wohnraum. Um das einzudämmen, wäre es möglich, dass der Freistaat ein entsprechendes Gesetz erlasse. Ein solches steht bereits im Koalitionsvertrag. Thomas Löser erklärt, dass die Regierungskoalition aus CDU, Grünen und SPD ein Gesetz auf den Weg bringen werde, durch das die Gemeinden selbst handeln könnten. Wenn sie Zweckentfremdung feststellen sollten, könnten sie dann selbst entscheiden, wie sie damit umgehen. Ds Gesetz sei aber dickes Brett«, da auch die CDU mit am Tisch säße, die es nicht auf ihrer Agenda habe.
Das Gesetz wäre dann auch in Dresden umsetzbar. Dort existiert zwar weniger Leerstand als in Leipzig, aber diesen Januar gab es ebenfalls eine Besetzung. Mehrere Aktivist*innen der Gruppe »Wir besetzen Dresden« hatten drei leer stehende Villen des Zahnpasta-Herstellers Dental Kosmetik beansprucht. Nach sechs Tagen räumte die Polizei das Haus. Vor Gericht gab es bisher zwei Freisprüche und eine Geldstrafe über 450 Euro. Ein Mitglied der Gruppe sagt auf Nachfrage von »nd«, Hausbesetzungen seien »eine gute Möglichkeit, mit der Nachbar*innenschaft ins Gespräch zu kommen« und gleichzeitig die Stadtpolitik unter Druck zu setzen. Anders als bei Demonstrationen könne diese die inhaltlichen Forderungen nicht einfach ignorieren.
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