Lehrer streiken für Lohn und Hygienemaßnahmen
In Simbabwe wehren sich die Gewerkschaften gegen die Schulöffnung inmitten einer Pandemie
»Keine kostenlosen Masken, kein Handdesinfektionsmittel, keine Schule.« Die Ansage der einflussreichsten Lehrergewerkschaft Simbabwes, der Zimbabwe Teachers Association (ZTA), auf Twitter ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Die ZTA hatte frühzeitig darauf gedrungen, die Prüfungen im Juni und November zu verschieben, bis es eine genaue Einschätzung der Auswirkungen von Covid-19 geben würde. Bereits Anfang April waren in der Zeitung »Zimbabwe Mail« die Forderungen der ZTA publik gemacht worden. Für den Fall einer Schulöffnung sollte die Regierung verpflichtende Tests in Schulen bereitstellen, um die Verbreitung des Virus einschränken zu können. Im Mai erklärte die Gewerkschaft, dass die Lehrer nicht zurück an die Arbeit gehen würden, wenn die Regierung keine Masken und Desinfektionsmittel bereitstelle.
Gegen eine verfrühte Öffnung der Schulen und die Durchführung von Examen positionierte sich ebenfalls die Lehrergewerkschaft Amalgamated Rural Teachers Union. »Die Arbeiten, die geschrieben werden müssen, werden geschrieben, wenn es sicher ist«, äußerte deren Präsident Obert Masarure.
Eine weitere Forderung ist die Einstellung von 90 000 zusätzlichen Lehrkräften, um die Klassen verkleinern zu können. Dazu entschied ein Gericht, dass bei den Prüfungen im Juni persönliche Schutzausrüstung für alle Teilnehmenden zur Verfügung stehen müsse.
Auch im Gesundheitssektor wurde Kritik an den Arbeitsbedingungen und dem Umgang mit der Pandemie laut. Am 18. Juni rief die mehr als 16 000 Mitglieder umfassende Zimbabwe Nurses Association (ZNA) Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger zur Niederlegung der Arbeit auf. Die jährliche Inflationsrate um 800 Prozent entwertet die ohnehin niedrigen Gehälter noch mehr. Der Streik, dem sich auch Ärzte angeschlossen hatten, wurde inzwischen von der ZNA beendet. Die Ärzte befinden sich jedoch weiterhin im Ausstand. Der neue Gesundheitsminister Constantino Chiwenga, dem die Gewerkschaft die Möglichkeit geben wollte, erhoffte Maßnahmen umzusetzen, will deshalb ab jetzt Ärzte von der Armee verpflichten lassen, um so das Streikrecht zu umgehen. Laut der Verfassung ist es Mitgliedern der Sicherheitskräfte untersagt, Gewerkschaften beizutreten oder Tarifverhandlungen zu führen.
Die Lehrkräfte wollen angesichts der Situation weiterkämpfen. Der Generalsekretär der Progressive Teachers Union of Zimbabwe, Raymond Majongwe äußerte sich schockiert darüber, dass die Meinung der Lehrkräfte hinsichtlich der Schulöffnungen übergangen wurde. Die Empfehlungen der Lehrergewerkschaften würden darauf hinweisen, dass die Schulen nicht zur Öffnung bereit seien. So könnten die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) momentan nicht erfüllt werden. Darüber hinaus seien nach den Prüfungen im Juni nur keine Infektionen bekannt geworden, weil es keine Tests gegeben habe. Bildungsminister Carin Mathema sagte hingegen, dass zwar Verhandlungen stattfänden, ihm Streikabsichten jedoch unbekannt wären.
Nach einem gemeinsamen Treffen von neun Lehrergewerkschaften mit der Regierung bezeichnete Majongwe deren Reaktion als skandalös und kriminell. »Ich denke, die Regierung hält Lehrer für selbstverständlich. Wir sind in einer Situation, in der ein in zwei Wochen ausgebildeter Polizist mehr verdient, als ein Lehrer mit mehr als 25 Jahren Erfahrung«, so Majongwe. »Wir haben kein Geld für Essen, Transport, Unterwäsche, Kleidung«, beschrieb Phiri Rengani von der Zimbabwe Union of Teachers die Situation. »Wie kann man damit klarkommen?«
Für größere wirtschaftliche Sicherheit ihrer Mitglieder wollen die Gewerkschaften, dass Löhne in US-Dollar ausgezahlt werden. Was ein Lehrer pro Monat verdient, entspricht je nach Wechselkurs ungefähr 40 US-Dollar. Laut einem Bericht des südafrikanischen Senders eNCA von 2018 gehören die Lehrkräfte Simbabwes zu den am schlechtesten bezahlten weltweit. Um einen Lohn über der Armutsgrenze zu erzwingen, droht auch der Gewerkschaftsbund Zimbabwe Congress of Trade Unions mit Massenaktionen, nachdem man sich Anfang des Jahres wegen der Pandemie zurückgehalten habe.
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