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Clubs sind keine Pandemietreiber
Rainer Rutz über das in der Coronakrise ungerechtfertigte Club-Bashing
Seit nunmehr sieben Monaten sind, so der behördendeutsche Ausdruck, »Tanzlustbarkeiten« in geschlossenen Räumen in Berlin verboten. Auch wenn Clubs ihre Räumlichkeiten notgedrungen zu Trinkhallen umfunktionieren wie das »SO36« in Kreuzberg oder im Sommer wenigstens ihre Gärten öffnen konnten wie das »about blank« in Friedrichshain: Die hauptstädtische Clubkultur liegt de facto am Boden. Und gäbe es nicht hier und da öffentliche Finanzspritzen wie vor Kurzem im Rahmen des Tags der Clubkultur, hätten etliche Läden schon längst für immer dicht machen müssen.
Nicht zuletzt Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) hat das freilich nicht davon abgehalten, immer wieder auch die Clubs als vermeintliche Pandemietreiber durchs Dorf zu jagen - wenn sie nicht gerade die jungen Menschen in den Parks auf dem Kieker hatte. Belastbare Zahlen lieferte sie zwar nie. Aber das Bedienen gängiger konservativer Vorurteile - harter Techno, harte Drogen, harter Sex; weiß doch jeder, was dort geht! - läuft in diesem Zusammenhang wie geschmiert.
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Dass es tatsächlich, wie jetzt bekannt wurde, seit den Lockerungen der Corona-Maßnahmen gerade mal in einem einzigen Berliner Club zu einem Infektionsgeschehen mit sage und schreibe acht Infektionen gekommen ist, ist dabei kaum verwunderlich. Um überhaupt öffnen zu können, müssen die Läden schließlich Hygienekonzepte aufstellen. Die Frage, ob diese - wie in den allermeisten Fällen geschehen - eingehalten wurden oder nicht, war Kalayci herzlich wumpe. Der Senatorin ging es offenbar zuvorderst darum, mit fix präsentierten Sündenböcken von eigenen Fehlern in der Coronakrise abzulenken.
Vielleicht wäre spätestens jetzt eine kleine Entschuldigung angebracht? Aber wen kümmert schon das Geschwätz von gestern, wenn mit unkooperativen Hochzeitsgästen aus Neukölln schon der nächste Angstgegner auf der Matte steht!
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