Justizministerin für Augenmaß bei Verboten
SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach: Bevölkerung kann zweiten Corona-Lockdown abwenden
In einem Appell hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Bundesbürger zur Einschränkung ihrer Kontakte und zum Verzicht auf Reisen aufgerufen. »Treffen Sie sich mit deutlich weniger Menschen, ob außerhalb oder zu Hause«, sagte Merkel am Wochenende angesichts der hohen Corona-Infektionszahlen. »Ich weiß, das klingt nicht nur hart, das ist im Einzelfall auch ein schwerer Verzicht.« Aber er müsse nur zeitweilig geleistet werden.
Am Wochenende meldete das RKI insgesamt mehr als 13 000 Neuinfektionen. Da am Wochenende nicht alle Gesundheitsämter melden, liegen die Zahlen sonntags immer niedriger - die 5587 Infektionen sind trotz des Rückgangs gegenüber Samstag aber rund 2100 mehr als am Sonntag vor einer Woche.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht derweil die Verantwortung bei der Bevölkerung, einen zweiten Lockdown noch abzuwenden. Es werde darauf ankommen, wie sich die Bevölkerung verhält. Das sei wichtiger als einzelne Maßnahmen. Bei einer weiterhin so schnellen Ausbreitung rechnet er mit lokalen Shutdowns.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) fordert indes mehr Augenmaß bei Verboten. »Bei allen Maßnahmen müssen wir stets darauf achten, dass sie gut begründet und für die Bürger nachvollziehbar sind«, sagte sie der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. »Nur so können wir die hohe Zustimmung der Bevölkerung erhalten.«
Die uneinheitliche Linie der Bundesländer wird dabei immer wieder kritisiert. Das betrifft unter anderem das Beherbergungsverbot für Gäste aus Risikogebieten. In mehreren Ländern wurde dieses Verbot unterdessen von Gerichten gestoppt. So kippte das Oberverwaltungsgericht auch das Verbot für Brandenburg. Die Tourismusbranche hofft nun zu Beginn der zweiten Herbstferienwoche auf eine Rückkehr der Gäste. Dennoch bezeichnen 68 Prozent der Deutschen das Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung als »eher gut«, ergab eine Umfrage.
Am Wochenende wurde bekannt, dass die in einigen Orten verbotenen Heizpilze für die Gastronomie nun sogar vom Bund gefördert werden. Dies sagte der Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU). So solle der »stark gebeutelten« Gastronomie geholfen werden.
Das Bundesfinanzministerium meldete am Sonnabend, Holocaust-Überlebende sollen wegen der Belastungen durch die Corona-Pandemie zusätzliche Hilfen von der Bundesregierung bekommen. Die Mittel von über einer halben Milliarde Euro sollen zum Teil noch dieses Jahr bereitgestellt werden. Eine entsprechende Vereinbarung sei mit der jüdischen Claims Conference getroffen worden, die sich für die Entschädigung von Holocaust-Überlebenden weltweit einsetzt.
Unterdessen steigt auch in anderen EU-Ländern die Zahl der Infizierten drastisch. In Tschechien wurden am Freitag 11 105 Betroffene gemeldet. In Frankreich gab es am Sonnabend den Höchstwert von 32 000 Infizierten. In den Niederlanden wurden für Freitag 8000 Neuinfektionen gemeldet - bei 17 Millionen Einwohnern. Seiten 6 und 9
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.