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Vom Ehrgeiz zum Neoliberalismus
Zum Tod des früheren SPD-Fraktionschefs Thomas Oppermann
Auf dem Fußballplatz war Thomas Oppermann ein Stürmer. Einer, der die gegnerische Abwehr unter Druck setzt und Tore schießt. Auch mit über 60 Jahren zog der Politiker und Sportfan noch das Trikot über und lief für den FC Bundestag, das Team der Abgeordneten, auf. Das zeugt von viel Ehrgeiz, der sich wie ein roter Faden durch sein Leben zog.
Die SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier (2009) und Peer Steinbrück (2013) beriefen Oppermann als Experten für Innen- und Justizpolitik in ihre Schattenkabinette. Er verfügte über beste Beziehungen zu nahezu allen mächtigen Sozialdemokraten vom konservativen Parteiflügel. Der damalige niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder machte Oppermann im Jahr 1998 zum Wissenschaftsminister. Dieses Amt bekleidete er auch unter Schröders Nachfolger Sigmar Gabriel, der später zum Parteivorsitzenden gewählt wurde.
Ebenso wie Schröder und Gabriel kam Oppermann aus einfachen Verhältnissen. Er hatte kein reiches Elternhaus, das ihm das Jura-Studium finanzieren konnte. Deswegen arbeitete Oppermann nebenher als Nachtwächter und Bauarbeiter. Trotzdem gelang ihm ein erfolgreicher Abschluss. Der gebürtige Westfale wurde als junger Mann Richter am Verwaltungsgericht Hannover und später am Verwaltungsgericht Braunschweig.
Die Aufsteiger Oppermann, Schröder und weitere Genossen verinnerlichten wohl auch wegen ihrer eigenen Lebensläufe das neoliberale Credo, wonach jeder seines eigenen Glückes Schmied sei. Als Folge trampelten sie auf den Verlierern des Kapitalismus und allen herum, die sie für »faul« hielten. Oppermann war während seiner Zeit in Niedersachsen ein Vorkämpfer für die Einführung von Langzeitstudiengebühren. Auf Bundesebene verteidigte er stets die Sanktionen, die gegen Hartz-IV-Bezieher verhängt werden können, obwohl damit die Betroffenen in die Armut getrieben werden.
Damit kam Oppermann zwar auch in der Post-Schröder-SPD lange gut an, aber der große Karrieresprung an die Spitze eines Bundesministeriums blieb ihm verwehrt, weil die Sozialdemokraten die Wahl 2009 komplett vergeigten und vier Jahre später mit Steinmeier und Gabriel bereits zwei Niedersachsen dem Kabinett angehören sollten. Oppermann geriet in dieser Zeit wegen der Edathy-Affäre unter Druck. Er war vom damaligen BKA-Chef Jörg Ziercke informiert worden, dass der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy auf einer Liste mit Kunden eines ausländischen Internetangebots für kinderpornografische Inhalte aufgetaucht war. Oppermann stand unter dem Verdacht, Edathy gewarnt zu haben. Er wurde vor einen Untersuchungsausschuss zitiert, wo der Sozialdemokrat Rede und Antwort stehen musste. Letztlich konnten ihm aber keine Verfehlungen nachgewiesen werden.
In der Folgezeit war Oppermann Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und dafür verantwortlich, die Entscheidungen der Großen Koalition in den eigenen Reihen durchzusetzen. Zwar gelang es ihm, die Fraktion zusammenzuhalten, aber zugleich verließen immer mehr Wähler die Partei. In der schweren Krisensituation nach der Wahl 2017 machte Oppermann an der Fraktionsspitze Platz für Andrea Nahles. Er leitete dann als Bundestagsvizepräsident die Sitzungen des Parlaments und wurde fraktionsübergreifend wegen seiner Sachlichkeit geachtet.
Im kommenden Jahr sollte Schluss sein. Der 66-Jährige wollte nicht noch einmal in seinem Göttinger Wahlkreis antreten. Oppermann hatte andere Pläne. Doch diese kann er nicht mehr verwirklichen. Am Sonntagabend brach Oppermann überraschend zusammen. Er starb kurz vor einem geplanten Interview mit dem ZDF. Dort wollte Oppermann das tun, was er in seinem Fußballer- und Politikerleben oft getan hatte: Den Gegner angreifen und um Punkte kämpfen.
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