Heilanstalten verwandeln sich in exklusive Wohnanlage

In Lychen entsteht Stück für Stück eine Parkresidenz. 40 Prozent der denkmalgeschützten Gebäude sind bereits saniert

  • Jeanette Bederke
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie haben im Herbstnebel noch immer etwas Verwunschenes an sich, die villenähnlichen Gebäude inmitten einer großen Parkanlage am Ufer des Zenssees in Lychen (Uckermark). Mit rotem Efeu bewachsen, strahlen verwitterte Holzgiebel und -balkone sowie die verwaschene gelbe Fassade einen morbiden Charme aus, Zeugnis eines jahrelangen Verfalls seit 1993. Damals waren die russischen Streitkräfte abgezogen, die das riesige Gelände seit Ende des Zweiten Weltkrieges als Militärhospital genutzt hatten.

Die Geschichte der Heilanstalten Hohenlychen beginnt 1902, als der Mediziner Gotthold Pannwitz, Chef des Volksheilstätten-Vereins des Deutschen Roten Kreuzes, eine Kindereinrichtung zur Bekämpfung der Tuberkulose gründete. In den folgenden Jahren kamen Kliniken und ein Sanatorium auch zur Behandlung von Erwachsenen hinzu. In den 1930er Jahren wurden Sport- und Arbeitsschäden neuer medizinischer Schwerpunkt. Die deutsche Nationalmannschaft soll sich vor und nach der Berliner Olympiade 1936 in Hohenlychen aufgehalten haben. Später suchten Nazigrößen wie Rudolf Hess und Heinrich Himmler hier Erholung. Wegen ihrer städtebaulichen, historischen und baukünstlerischen Bedeutung steht die Anlage auf der Denkmalliste.

Der Dresdner Bauingenieur Michael Neumann entdeckte das Ensemble 2009 und kaufte einen Teil davon, zwölf Hektar mit neun Gebäuden, vom Land Brandenburg. »Mein Vater hatte ein Faible für denkmalgeschützte, in Vergessenheit geratene Areale und sah Hohenlychen als neue Herausforderung«, erinnert sich Anne Neumann an ihren vor einem Jahr gestorbenen Vater. In Sachsen hatte er bereits so eine vergessene Immobilie neu erschlossen. Nun entwickelte er für das Areal der Heilanstalten ein neues Konzept für eine Parkresidenz Lychen. Frührentner oder rüstige Senioren sollten hier ein neues Zuhause finden. Die Ferienwohnungen könnten von der Verwandtschaft genutzt werden, so die Idee.

Der Investor überzeugte Banken und begann mit der Sanierung. Das ehemalige Sanatorium beherbergt heute 44 barrierefreie Mietwohnungen, fast alle sind bereits bezogen. Aus dem Haus des früheren ärztlichen Direktors sowie dem ehemaligen Operationszentrum wurden zehn Ferienwohnungen plus ein Bistro. Das einstige Verwaltungsgebäude der Heilstätten ist jetzt Sitz der Verwaltung der Parkresidenz.

40 Prozent der Bausubstanz sind schon saniert. Anne Neumann führt das Projekt mit Stiefmutter und Halbschwester weiter. »Ich wollte das Erbe meines Vaters keinesfalls ausschlagen. Er hat das Ganze mit Leidenschaft betrieben und die sollte nicht umsonst gewesen sein«, erklärt die 31-Jährige, die zuvor in Berlin im Finanzwesen gearbeitet hat. Ungefähr sechs Millionen Euro seien bisher in die Sanierung geflossen, mindestens die gleich hohe Summe werde für die noch übrigen Gebäude benötigt, schätzt Neumann.

Julia Lennemann vom Landesamt für Denkmalpflege sagt: »Wie die Beelitzer Heilstätten, geriet auch Hohenlychen lange in Vergessenheit. Daher ist der Ausbau eine erfreuliche Entwicklung und findet in Abstimmung mit den Denkmalbehörden statt.« Die Geschäftsführerin der Tourismus Marketing Uckermark GmbH, Anet Hoppe, erklärt: »Die Parkresidenz ist ein Zugewinn für Ort und Region.« Die Kombination aus Miet- und Ferienwohnungen habe zur Folge, dass nicht nur Touristen, sondern auch Uckermärker davon profitierten. Wobei das nur bedingt der Fall ist, wie Neumann sagt. »Die meisten Mieter stammen von weiter her, aus dem Saarland oder München. Aus der Region selbst kommen nur wenige.«

Lychens ehemaliger Bürgermeister Sven Klemckow (Linke) erläutert, Mietpreise von 800 Euro für 80 Quadratmeter seien für Uckermärker Verhältnisse schon teuer. Er machte jahrelang gut besuchte Führungen über das geschichtsträchtige Gelände. »Mit der Akzeptanz für die eingezäunte Parkresidenz hat es bei den Lychnern etwas gedauert. Doch die meisten sind schon froh, dass die eigentlich schönen alten Gebäude nicht abgerissen wurden«, sagt er. Sieben weitere Ferienwohnungen inklusive einer Saunalandschaft sollen im nächsten Jahr in der alten Wäscherei entstehen. Auch 15 weitere Mietquartiere sind geplant. Für drei Villen direkt am Seeufer will sich Anne Neumann Partner suchen, die eine Kur- oder Pflegeeinrichtung daraus machen könnten. dpa

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.