- Politik
- Supreme Court
US-Senat wählt Barrett als Richterin an das Oberste Gericht
Konservative verfügen am Supreme Court nun über eine dominierende Mehrheit von sechs der neun Sitze
Washington. Eine Woche vor der US-Präsidentenwahl zementiert die Berufung von Amy Coney Barrett die konservative Mehrheit im Obersten Gericht des Landes. Der Supreme Court könnte das letzte Wort in möglichen Gerichtsverfahren um die Auszählung der Stimmen bei der Wahl am 3. November haben. Zugleich stellt das Gericht mit seinen Entscheidungen zu Streitthemen wie das Recht auf Abtreibungen oder gleichgeschlechtliche Ehen immer wieder wichtige Weichen für die US-Gesellschaft.
Die Richter werden vom Präsidenten vorgeschlagen und vom US-Senat bestätigt. Sie werden auf Lebenszeit ernannt. Die Kandidatin von US-Präsident Donald Trump passierte den Senat mit den Stimmen von 52 republikanischen Mitgliedern, die 47 Demokraten und eine Republikanerin stimmten am Montagabend (Ortszeit) gegen sie.
Mit Barrett bekommen die Konservativen am Obersten Gericht die dominierende Mehrheit von sechs der neun Sitze. Die 48-Jährige ersetzt die im September verstorbene liberale Justiz-Ikone Ruth Bader Ginsburg. Es ist bereits der dritte Sitz im Supreme Court, den Trump füllt.
Die Demokraten um den Präsidentschaftskandidaten Joe Biden forderten hingegen, dass erst der Sieger der Wahl die Ginsburg-Nachfolge regeln sollte. Dieser Ansicht schloss sich am Ende auf Seiten der Republikaner nur Senatorin Susan Collins an.
Für ein Königreich Gottes
Mit Amy Coney Barrett wird eine christliche Fundamentalistin Richterin am Supreme Court in den USA
Gerade einmal eine Stunde nach der Abstimmung im Senat legte Barrett auf der Südwiese des Weißen Hauses den Eid auf die Verfassung ab. Danach ließ sie sich mit Trump auf dem Balkon der Präsidentenresidenz fotografieren. Am Dienstag wird sie mit der Vereidigung durch den Vorsitzenden Richter John Roberts zum vollwertigen Mitglied am Supreme Court. Barrett betonte in einer kurzen Ansprache, ihre politischen Ansichten und privaten Überzeugungen würden keine Rolle bei den Entscheidungen im Supreme Court spielen.
Es war bereits das zweite Event für Barrett im Weißen Haus. Nach der Veranstaltung zu ihrer Nominierung exakt einen Monat zuvor wurden mehrere Teilnehmer positiv auf das Coronavirus getestet. Dazu gehörten auch der Präsident und Ehefrau Melania. Diesmal wurden die Stühle zwar mit mehr Abstand platziert, diverse Teilnehmer trugen aber erneut keine Masken.
Trump wollte den freien Sitz im Obersten Gericht unbedingt noch vor der Präsidentenwahl am 3. November besetzen. Er verwies dabei auch ausdrücklich auf mögliche Gerichtsverfahren rund um die Präsidentenwahl. In den vergangenen Tagen fällte das Gericht bereits mehrere Entscheidungen zu Streitigkeiten um den Wahlprozess in mehreren Bundesstaaten. Eine davon kam just als die Senatoren ihre Stimmen abgaben. Das Oberste Gericht lehnte eine Verlängerung der Eingangsfrist für per Brief verschickte Stimmzettel in Wisconsin auf bis zu sechs Tage nach dem 3. November ab.
Die Demokraten warnten zuletzt vor allem, dass mit Barrett im Obersten Gericht die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama fallen könnte und damit Millionen Amerikaner ihre Krankenversicherung verlieren würden. Die Trump-Regierung unternimmt gerade einen weiteren Versuch, die Reform vor dem Obersten Gericht zu kippen, die erste Verhandlung steht in der Woche nach der Präsidentenwahl an. Trump sagte erst vergangene Woche, er hoffe, dass das Gericht »Obamacare« abschaffen werde. Er selbst kündigt schon seit Jahren einen eigenen Plan für das Gesundheitswesen an, hat ihn aber immer noch nicht vorgestellt.
Die Liberalen befürchten auch, dass mit Barrett und der konservativen Dominanz im Obersten Gericht das Recht auf Abtreibungen und gleichgeschlechtliche Ehen in Gefahr sein könnte. In ihrer mehrtägigen Anhörung hielt sich Barrett zu den kontroversen Fragen konsequent bedeckt. Unter anderem wollte sich nicht sagen, ob aus ihrer Sicht das Recht auf Abtreibungen oder gleichgeschlechtliche Ehen von der Verfassung gedeckt ist. Genauso wenig wollte sie die Frage beantworten, ob ein US-Präsident laut Verfassung zu einer friedlichen Machtübergabe nach einer Wahl verpflichtet ist.
Die Demokraten waren zusätzlich empört, weil die Republikaner im Senat Anfang 2016 Obamas Kandidaten für das Oberste Gericht sogar eine Anhörung verweigert hatten. Sie verwiesen dabei darauf, dass man in einem Wahljahr erst den Willen des Volkes erfahren müsse. Jetzt nahmen sie bei Barrett wieder Abstand von dieser Position, die sie vor vier Jahren zu einer neuen Regel erklärt hatten.
»Lasst euch von diesem Moment radikalisieren«
Der Streit um die Wahl einer Konservativen am Obersten Gerichtshof heizt auch den Senatswahlkampf an. Die Demokraten hoffen, dort die Mehrheit zu gewinnen
Angesichts der Dominanz der Konservativen im Supreme Court wurden bei den Demokraten zuletzt Forderungen laut, bei einem Sieg Bidens und einer Mehrheit für die Partei auch im Senat das Gericht zu vergrößern.
Biden wich zunächst lange einer Antwort auf die Frage aus, ob er einen solchen Schritt unterstützen würde. Inzwischen positionierte er sich in einem Interview gegen eine Erweiterung zumindest als einzelne Maßnahme. »Das letzte, was wir brauchen, ist, den Supreme Court in einen politischen Fußball zu verwandeln, so dass derjenige, der die meisten Stimmen hat, bekommt, was er will«, sagte Biden in einem TV-Interview. »Die Präsidenten kommen und gehen, die Richter am Obersten Gericht bleiben für Generationen«, betonte er.
Zugleich will Biden im Fall seines Sieges aber eine umfassende Justizreform angehen. Er wolle dann eine Kommission aus Demokraten, Republikanern und Experten für Verfassungsrecht ein halbes Jahr lang über Empfehlungen beraten lassen, sagte er. dpa/nd
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!