Höckes Kumpel

Die AfD-Fraktion hat mit Hans-Christoph Berndt einen neuen Fraktionschef

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Zwei Monate nach dem juristisch erzwungenen Rückzug von Andreas Kalbitz hat die AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag einen neuen Fraktionschef. Sein Name: Hans-Christoph Berndt, der Chef des rechtsextremen Vereins »Zukunft Heimat«. Der 64-Jährige setzte sich am Dienstagvormittag gegen zwei weitere Kandidaten durch. Ebenfalls Interesse am Posten bekundet hatten der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Dennis Hohloch, sowie Birgit Bessin. Nachdem die stellvertretende Vorsitzende in einem ersten Wahlgang nur sechs Stimmen geholt hatte, kam es zu einer Stichwahl zwischen Berndt und Hohloch, die der neue Fraktionschef mit elf zu sieben für sich entschied. Ein klares, aber keinesfalls überdeutliches Ergebnis, das zeigt, wie wenig Einigkeit in der Landtagsfraktion über die Kalbitz-Nachfolge herrscht.

Berndts steile politische Karriere setzt sich mit seiner Wahl fort: Der studierte Zahnmediziner zog erstmalig bei der Landtagswahl 2019 in das Potsdamer Parlament ein. Dabei holte er das Direktmandat in seinem Wahlkreis Dahme-Spreewald III. In der AfD ist Berndt erst seit 2018 Mitglied. Schon ein Jahr nach Parteieintritt zog er in die Stadtverordnetenversammlung von Golßen ein.

Mit ihrer Entscheidung für Berndt wählte die AfD-Fraktion zwar einen neuen Vorsitzenden, dem kein gutes persönliches Verhältnis zu seinem Vorgänger Kalbitz nachgesagt wird. Inhaltlich bleibt alles aber wie bisher. Diese Einschätzung teilt auch Michael Lühmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Göttinger Institut für Demokratieforschung. Seiner Ansicht nach war es für die politische Ausrichtung unerheblich, wer auf den gechassten Ex-Fraktionschef folgt. »Allen drei Kandidaten war gemein, dass sie, wie die gesamte Fraktion, ideologisch dem scheinaufgelösten, die AfD längst überwölbten Flügel zugehören«, so Lühmann gegenüber »nd«. Die AfD-Fraktion stehe mit dieser Entscheidung weiterhin klar am extrem rechten Rand. »Der Flügel hat zwar offiziell aufgehört zu existieren, doch jenseits aller offiziellen Organisation geht es längst um einen Bekenntniszusammenhang, der letztlich einem Führerprinzip gehorcht«, so Lühmann.

Wie eng das Verhältnis zwischen Berndt und den völkischen Nationalisten in der AfD schon jetzt ist, zeigt sich am kommenden Freitag in Cottbus. Der vom Brandenburger Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextremistisch eingestufte Verein »Zukunft Heimat« mobilisiert zu einer Protestaktion. Als Gastredner ist der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke angekündigt. Dieser scheint sich mit dem rapiden Bedeutungsverlust seines bisher wichtigsten Kompagnons Kalbitz arrangiert und gleichzeitig in Berndt zunehmend einen Ersatz gefunden zu haben.

Der neue Fraktionschef ist seinem Vorgänger durchaus ähnlich: Nicht nur stuft der Verfassungsschutz Berndt genauso wie Kalbitz als Rechtsextremisten ein. Auch hat sich der 64-Jährige jenseits der AfD ein Netzwerk von Unterstützern aufgebaut. Erst vergangenen September trat Berndt bei einer Veranstaltung der rassistischen Pegida-Bewegung in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden auf. Beim gleichen Termin hielt auch Kalbitz eine Rede. Insbesondere über den von Berndt 2015 mitgegründeten Verein »Zukunft Heimat« bestehen Kontakte weit hinein in andere völkisch-nationalistische Organisationen. Der Brandenburger Verfassungsschutz berichtet unter anderem von einem Austausch mit den Identitären, dem vom Götz Kubitschek mitgegründeten Institut für Staatspolitik aus Sachsen-Anhalt und dem seit Juni vom Bundesverfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuften Netzwerk »Ein Prozent«. Wie die Behörde außerdem erklärte, bestehen zwischen »Zukunft Heimat« und Neonazis der seit 2012 verbotenen »Widerstandsbewegung Südbrandenburg« personelle und strukturelle Überschneidungen.

Dass die AfD-Landtagsfraktion sich für Berndt entschied, zeigt damit auch, wie wenig sich die Partei offensichtlich vor einer Überwachung durch die Behörden fürchtet. Erst im Sommer gab der Brandenburger Verfassungsschutz bekannt, dass er den gesamten Landesverband unter Beobachtung stellt. »Die Brandenburger AfD hat sich seit ihrer Gründung stetig radikalisiert und wird mittlerweile von Bestrebungen dominiert, die ganz eindeutig gegen unsere freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind«, hieß es damals zur Begründung.

»Berndt war von allen drei Kandidaten der Gefährlichste für die Demokratie«, schätzt der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke die Wahl gegenüber »nd« ein. Funke ist sicher: An der Taktik der AfD wird sich mit Berndt nichts ändern. »Auf der einen Seite setzt die Partei auf absolut rechtsextreme und rassistische Positionen. Andererseits suggeriert die AfD vor Ort, sie habe absolut nichts mit Rechtsextremen zu tun und mache doch eine gute inhaltliche Arbeit.« Dieses Doppelgesicht werde nach den Skandalen um Kalbitz durchschaut – die Attraktivität der AfD sinkt auch in Brandenburg, so Funke. Umfragen bestätigen das. Holte die AfD bei der Landtagswahl noch 23,5 Prozent, liegt sie ein Jahr später bei nur noch 20 Prozent.

Aus den anderen im Brandenburger Landtag vertretenden Parteien gab es deutliche Kritik an Berndt’s Wahl. »Zwei Neonazis wechseln nur die Stühle, und der rechte Flügel wird weiter gestärkt.« Im Ergebnis radikalisiert sich die Brandenburger AfD abermals, sagt der Fraktionschef der Linken, Sebastian Walter. Ähnlich äußert sich SPD-Fraktionschef Erik Stohn. »Sie hatten die Wahl zwischen extrem, extremer und am extremsten und haben sich für die gefährlichste Person entschieden.« Mit Berndt an der Spitze werde die AfD-Fraktion weiter an der Zersetzung unserer Gesellschaft arbeiten.

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