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Linke: »Comeback der sozialen Frage« durch Corona

Scheidende Co-Vorsitzende Kipping: »Uns stehen knallharte Verteilungskämpfe bevor« / Für dieses Wochenende geplanter Partei zum zweiten Mal verschoben

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Berlin. Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping rechnet damit, dass in Folge der Corona-Krise soziale Themen wieder deutlich stärker in den Mittelpunkt rücken werden. »Uns stehen knallharte Verteilungskämpfe bevor. Es geht um die Frage, wer die Folgen der Corona-Krise bezahlen muss«, sagte Kipping der Deutschen Presse-Agentur. Im Bundestagswahlkampf im kommenden Jahr werde es nicht nur darum gehen, wer auf Angela Merkel (CDU) folge, sondern welchen Kurs das Land einschlage. »Ich denke, es gibt ein Comeback der sozialen Frage. Der Anlass dafür ist nicht schön«, sagte sie mit Blick auf die Corona-Pandemie.

Die 42-Jährige Dresdnerin führt gemeinsam mit dem Gewerkschafter Bernd Riexinger die Linke seit nunmehr acht Jahren. An diesem Samstag sollte eigentlich ihre Amtszeit enden. Doch der in Erfurt geplante Parteitag zur Wahl eines neuen Führungsduos wurde wegen Corona zum zweiten Mal verschoben. Die Linke steht damit genau wie die CDU vor dem Problem, dass ihre Führungsfrage nicht beantwortet ist, während das Superwahljahr 2021 mit mehreren Landtagswahlen und der Bundestagswahl immer näher rückt.

Mehrere Alternativen stehen im Raum: Eine Verschiebung des Parteitags bis die Corona-Lage ein solches Treffen wieder zulässt, ein dezentraler Parteitag an verschiedenen Standorten oder ein baldiges reines Online-Treffen per Video mit anschließender Briefwahl. Kipping ist für eine schnelle Lösung: »Wir stehen jetzt vor der Aufgabe, breite Zustimmung in der Partei für eine schnelle und innovative Variante zu erreichen.« Die Parteispitze berät am nächsten Wochenende über das weitere Vorgehen.

Dass es noch in diesem Jahr etwas wird, erscheint aber wegen der organisatorischen Fragen und der Dauer einer möglichen Briefwahl unwahrscheinlich. Die beiden designierten Nachfolgerinnen, Janine Wissler, Fraktionschefin im hessischen Landtag und Thüringens Linke-Chefin Susanne Hennig-Wellsow, stehen in den Startlöchern, Riexinger und Kipping bleiben aber vorerst am Ruder.

Für die Partei eine schwierige Hängepartie, weil mit der Neubesetzung auch ein Neustart verbunden wird. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte dem »Tagesspiegel« (Freitag): »Diese neue Spitze wird dafür sorgen, dass wir einen neuen Schwung in unsere Partei bekommen und damit auch mehr Gewicht.« Kipping legt die Latte für ihre Nachfolgerinnen schonmal ziemlich hoch: »Aufbauend auf dem, was wir bisher erreicht haben, gilt es jetzt ein neues Kapitel aufzuschlagen und die größten Herausforderungen liegen noch vor der Linken«. Die Partei müsse sich »im zweistelligen Bereich verankern und Mehrheiten links der Union für einen Politikwechsel nutzen«.

Momentan steht sie in Umfragen bei sieben bis acht Prozent. Mit Politikwechsel und »Mehrheiten links der Union« meint Kipping eine mögliche Koalition mit Grünen und SPD im Bund. Dafür würden die Stimmen laut Umfragen im Moment nicht reichen. Die scheidende Linke-Chefin sagt dazu: »Man darf eins nicht unterschätzen: Wenn klar ist, wer auf Angela Merkel folgt, dann wird es eine Bewegung weg von der CDU geben. Denn egal welcher Mann das ist - er wird nicht die Bindungskraft von Angela Merkel haben.«

Die SPD hat schon Sympathien für ein Bündnis mit der Linken und den Grünen bekundet, die Grünen halten sich bisher alles offen. Nach aktuellen Umfragen könnten sie in der Nach-Merkel-Ära Juniorpartner in einer Bundesregierung mit CDU und CSU werden. Kipping warnte vor einem solchen Schritt: »Ich höre immer, wir haben noch maximal zehn Jahre, um den Klimakollaps zu verhindern. Wenn das stimmt, dann können wir uns nicht vier Jahre verlorene Jahre für den Klimaschutz mit einer schwarz-grünen Regierung leisten. Das müssten dann die Grünen der Klimaschutzbewegung erklären.«

Da das Klima-Thema selbst durch die Grünen quasi besetzt ist, konzentriert sich die Linke auf den sozialen Aspekt. »Jeder Klimaschutz, der nicht die soziale Abfederung mitdenkt, wird die Gesellschaft nicht zusammenführen«, sagte Kipping. Ihre Partei spricht sich beispielsweise dafür aus, Jobs im öffentlichen Nahverkehr besser zu bezahlen, das Netz von Bussen und Bahnen auszubauen und die Nutzung kostenlos zu machen.

Die scheidende Parteichefin will sich nach eigener Ansage bis zur Staffelstabübergabe an die neue Parteispitze mit »ganzer Leidenschaft« der Frage widmen, wie die »linken Positionen in der Corona-Krise deutlich werden«. Und auch danach will Kipping weiter auf der Berliner Bühne mitmischen: »Auf jeden Fall werde ich erneut für den Bundestag kandidieren.« Politisches Engagement gehöre für sie immer zu einem sinnstiftenden Leben dazu. dpa/nd

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