Professionelle Suche nach Bodenreform-Erben

Der Landtagsabgeordnete Clemens Rostock (Grüne) möchte mit der sittenwidrigen Enteignungspraxis aufräumen

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 3 Min.

In rund 7500 Fällen hatte sich einstmals das Land Brandenburg anstelle angeblich unauffindbarer Erben von Bodenreformland in die Grundbücher eintragen lassen. Im Jahr 2007 stufte der Bundesgerichtshof dieses Vorgehen einer SPD-CDU-Regierung als sittenwidrig und nichtig ein. Die Landtagsfraktion der Grünen startete nun am Dienstag eine Initiative, um für die Vielzahl der nach wie vor offenen Fälle endlich zu einer Lösung zu kommen.

Der Abgeordnete Clemens Rostock schlug vor, die Suche nach den rechtmäßigen Erben der Grundstücke durch den Einsatz professioneller Ermittler auf eine neue Stufe zu heben. Ferner sollten neben einer Veröffentlichung im Bundesanzeiger auch die Möglichkeiten der digitalen Medien genutzt werden. Rostock zufolge müssten die ermittelten Erben diese professionelle Suche bezahlen, so dass dem Land keine Kosten entstünden. Ab 1945 wurden in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands diejenigen enteignet, die Kriegsverbrecher waren oder mehr als 100 Hektar Land besaßen. Verkündet wurde die Bodenreform am 2. September 1945 im brandenburgischen Kyritz - durch den KPD-Vorsitzenden Wilhelm Pieck im Hotel »Schwarzer Adler«. Das enteignete Ackerland und die ebenso eingezogenen Viehweiden wurden an Kleinbauern, Landarbeiter und Umsiedler verteilt. Das lief unter der Losung »Junkerland in Bauernhand«. Als später die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) entstanden, brachten die Bauern ihre Felder und Wiesen ein. Der Boden gehörte ihnen jedoch formal weiter. Nur wer das Dorf verließ und sich eine Arbeit in der Stadt suchte, verlor seinen Anspruch auf das Land. Es fiel an einen staatlichen Bodenfonds zurück.

1990 wurde in der DDR vor dem Anschluss an die Bundesrepublik noch das sogenannte Modrow-Gesetz erlassen, benannt nach Ministerpräsident Hans Modrow (SED). Es sprach den Erben des Bodenreformlandes die vollen Besitzrechte zu. Dies machte die Bundesrepublik jedoch rückgängig. Sie eröffnete den Bundesländern die rechtliche Möglichkeit, sich entschädigungslos als Eigentümer einsetzen zu lassen. Hatten Erben das Land bereits verkauft, so hätten sie den Erlös an den Fiskus abführen müssen.

Zu den rund 7500 Fällen, in denen sich das Land Brandenburg in die Grundbücher eintragen ließ, kommen dem Abgeordneten Rostock zufolge mindestens 6500 weitere Fälle, in denen sich das Land schon vorher, also ohne Rechtsgrundlage, sich den Boden aneignete. Dagegen hatten zwei Erben geklagt, und der Bundesgerichtshof gab ihnen Recht. Im Urteil war von einer »sittenwidrigen« und »nichtigen« Enteignungspraxis Brandenburgs die Rede.

Mehrfach wurde die Landesregierung aufgefordert, die rechtmäßigen Erben zu finden. »Da ist sehr wenig geschehen«, bedauerte der Abgeordnete Rostock nun. Er warf dem Land vor, sich »nicht wirklich bemüht« zu haben. Dabei steht für Clemens Rostock fest: »Es geht um den Rechtsfrieden.«

Eine Bodenreform wie die von 1945 passt nicht in gewohnte bürgerliche Verhältnisse. Aber die Reform wurde 1990 in dem Zwei-plus-Vier-Vertrag beider deutscher Staaten mit den Siegermächten der Anti-Hitler-Koalition Sowjetunion, USA, Großbritannien und Frankreich ausdrücklich anerkannt und sollte Bestand haben. Doch spitzfindige Beamte des brandenburgischen Finanz- und Innenministeriums hielten sich nicht daran. Eine Frist bis Oktober 2000 wurde eingeräumt, in der das Land sich erst zum Vertreter der Erben aufschwingen und schließlich als Eigentümer ins Grundbuch eintragen lassen konnte. Davon wurde zum Ablauf der Frist hin exzessiv Gebrauch gemacht. Verlängerter Arm dabei waren die Landkreise, die regelrecht dazu gedrängt wurden, die Grundbücher zu ändern.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat das Land Brandenburg die Flächen nicht komplett widerrechtlich an sich gebracht. Denn die Erben waren tatsächlich in der Regel zum festgesetzten Stichtag nicht mehr in der Landwirtschaft tätig. In neun von zehn Fällen könnte es so gewesen sein. Entscheidend für den Ausgang der Affäre blieb der Vorwurf des Bundesgerichtshofs, die möglichen Erben nicht aufgespürt und sich mit ihnen juristisch auseinandergesetzt zu haben.

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