Ölkonzerne schwimmen auf der grünen Welle

Energiekonzerne wie Total und BP schauen sich nach neuen, nachhaltigen Geschäftsmodellen um

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Knappes Erdöl war gestern, denn der Höhepunkt der Ölnachfrage ist bald überschritten. Damit rechnet jedenfalls das französische Mineralölunternehmen Total SE. Vorstandsvorsitzender Patrick Pouyanné erwartet den Höhepunkt für seine Branche im kommenden Jahrzehnt: Um 2030 werde das Nachfragewachstum enden, hieß es kürzlich aus Paris, wo die Zentrale von Total beheimatet ist. Eine noch pessimistischere Prognose wagt BP in London. Der Mineralöl-Multi ist davon überzeugt, dass die Ära des Wachstums des Ölmarktes bereits vorbei sei.

»Peak Demand« ist der Name der Debatte, den die Energiebranche weltweit führt. Es geht also um das »globale Ölnachfrage-Maximum«. Auch wenn sich die Experten erwartungsgemäß nicht alle einig sind, so stehen BP und Total mit ihrem Pessimismus nicht alleine dar. Deren Ansicht würde mehr und mehr Mainstream, behauptet der Fachinfodienst Energyfuse. Sollte der Öl-Hunger der Welt wirklich nachlassen, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Branche, einschließlich erdölexportierender Staaten wie Russland oder Saudi-Arabien.

Tatsächlich spricht für einen fossilen Abschwung einiges. Auch nach Corona dürften Angestellte häufiger im Homeoffice arbeiten und weniger mit dem Auto ins Büro pendeln; Unternehmen dürften weniger Dienstreisen mit dem Flugzeug genehmigen. Und die neuen, in vielen Ländern üppigen staatlichen Förderungen für den Kauf von Elektroautos und E-Lkw werden den Benzinverbrauch zusätzlich drosseln. Entscheidenden Einfluss könnte der globale Trend zu Nachhaltigkeit und erneuerbaren Energien gewinnen. So wird der »Green Deal« der EU-Kommission wohl mittelfristig erhebliche Auswirkungen auf den Verbrauch von Erdöl und Erdgas auch bei der Wärmeerzeugung und in der chemischen Industrie haben.

Für einen »Peak Demand« könnte vor allem China sorgen: Die größte Industrienation ist noch der größte Verbraucher fossiler Brennstoffe weltweit, will aber bis 2060 CO2-neutral sein. Staatspräsident Xi Jinping hatte in seiner Videorede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September überraschend die Menschheit aufgerufen, eine grüne Revolution in Gang zu setzen.

Derweil verarbeitet Total in seiner Raffinerie in Leuna noch jährlich bis zu zwölf Millionen Tonnen Rohöl zu Benzin, Diesel, Heizöl und Flugkraftstoffe. Bereits im Jahr 2002 eröffnete Total aber auch seine erste Wasserstoff-Tankstelle in Deutschland. Seither sehen sich die Franzosen als »Vorreiter« im Bereich Wasserstoffmobilität. Auch andere Ölkonzerne wollen weg vom Öl. Das Ziel der Regierung in London, Benzin- und Dieselfahrzeuge von 2035 oder 2040 zu verbieten, sei zu wenig ambitioniert, kritisierte daher BP-Boss Bernard Looney. »Das sollte früher kommen«, sagte er jüngst in einer Videokonferenz, auf der er die neue »grüne« Strategie des britischen Konzerns vorstellte. In den kommenden zehn Jahren soll BP von einem internationalen Ölunternehmen, das sich auf die Förderung von Rohstoffen konzentriert, zu »einem integrierten Energieunternehmen« entwickeln. Bis 2030 soll dadurch die Förderung von Erdöl und Erdgas von knapp 2,6 auf 1,5 Millionen Barrel sinken.

Dafür sollen umgerechnet an die fünf Milliarden Euro pro Jahr in emissionsarme Aktivitäten investiert werden. So baut BP zusammen mit einem norwegischen Unternehmen riesige Windkraftanlagen vor der US-Küste. 2050 will BP dann ein klimaneutrales Unternehmen sein und »der Welt dabei helfen, es ebenfalls zu werden«. Zugleich verspricht Looney seinen Aktionären, den Konzern mittels erneuerbarer Energien und angelagerter Dienstleistungen so profitabel wie früher zu machen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen offenbar 10 000 Stellen im Ölbereich gestrichen werden.

Total-Boss Pouyanné ließ in seinem 64-seitigen Strategiepapier »Getting to net Zero« (etwa: »Klimaneutral werden«) mehrere Szenarien durchspielen. Aus allen geht hervor, dass die Bedeutung der endlichen Rohstoffe für die Ölkonzerne in den kommenden Jahrzehnten drastisch abnehmen wird. Ein Effekt, der in vielen Industriestaaten längst Realität ist. So sank etwa in Deutschland der Verbrauch an Mineralöl nach Angaben der AG Energiebilanzen seit 1996, dem Jahr mit dem höchsten Verbrauch, bis 2018 schon um mehr als 20 Prozent.

Länder wie China glichen das bislang alles aus. Skeptiker des »Peak Demand« verweisen daher auf aufstrebende Volkswirtschaften in Südostastasien, Afrika und Lateinamerika, deren nachholende Modernisierung den Einsatz von Öl und anderen fossilen Brennstoffen wieder in die Höhe treiben könnte. Außerdem hinterlassen andere Energieträger und der wachsende Konsum von immer mehr Menschen ebenfalls einen unschönen ökologischen Fußabdruck. So stieg die weltweite Pkw-Produktion seit der Finanzkrise bereits um die Hälfte an. Gleichzeitig wurden die Wagen immer größer und technisch aufwendiger. Und noch auf Jahrzehnte hinaus werden die allermeisten Autos mit Benzin angetrieben werden.

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