Nicht gleich das erste Nein akzeptieren
Der Cottbuser Maximilian Levy startet als einziger deutscher Bahnradfahrer bei der EM - weil er will und muss
Nicht einmal das mickrige Preisgeld von 670 Euro konnte Maximilian Levy von einer Reise zur Bahnrad-EM ins Risikogebiet Bulgarien abschrecken. »Ich habe keine Angst, aber Respekt vor dem Virus. Und ich möchte unbedingt bei dieser EM starten«, sagte der viermalige Weltmeister, der als deutscher Einzelkämpfer bei den am Mittwoch gestarteten Titelkämpfen in Plowdiw teilnimmt. Dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) war die Teilnahme angesichts stark steigender Corona-Infektionszahlen zu heikel.
Bei Levy war die Sehnsucht, im Oval wieder um Siege zu sprinten, aber größer. »Ich möchte endlich wieder meiner Passion nachgehen und in den sportlichen Wettstreit treten«, betonte der Cottbuser. Schließlich ist der Bahnradsport seit dem Ende der Heimweltmeisterschaften Ende Februar nahezu vollends zum Erliegen gekommen. Bevor Levy mit seinen beiden Begleitern in den Flieger nach Sofia steigen konnte, lag nach Wochen intensiven Trainings aber auch viel logistische Arbeit hinter dem 33-Jährigen. »Wir mussten uns vor allem das nötige Wissen rund um die Coronaregeln verschaffen. Das war sehr zeitaufwendig, aber das Gesundheitsamt hat mir sehr akkurat geholfen«, erklärte Levy, der am vergangenen Freitag noch in Frankfurt (Oder) negativ getestet wurde. Vor Ort, im Kolodrum-Velodrom, war ein weiterer Test geplant, mit dem Levy im besten Fall am Sonntag wieder nach Deutschland ohne eine folgende Quarantäne einreisen kann.
Keine juristischen Konsequenzen
Nach der Einstufung Bulgariens als Risikogebiet musste Levy erst Überzeugungsarbeit beim BDR leisten, um als Einzelstarter für Deutschland dabei zu sein. »Ich bin immer gut damit gefahren, nicht gleich das erste Nein zu akzeptieren«, sagte Levy. Der BDR bewertete die Situation anders. »Wir sehen bei einer Indoorveranstaltung ein zu großes Risiko, auch im Hinblick auf eine mögliche weitere Verbreitung des Virus nach Rückkehr unserer großen Delegation«, erklärte BDR-Generalsekretär Martin Wolf. Um einer möglichen rechtlichen Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen, stimmte der Verband letztlich einem Einzelstart zu.
Bei Levys Start, von Donnerstag bis Sonnabend im Sprint und Keirin, stünden ausschließlich sportliche Gründe im Vordergrund - das belegen die Preisgelder der UEC. »Meine Motivation ist nicht das Geld. Ich habe soviel auf mich genommen, um im nächsten Jahr zum vierten Mal bei den Olympischen Spielen dabei zu sein. Es geht mir um den Wettkampf«, sagte Levy. Trotzdem macht der dreifache Olympia-Medaillengewinner auch auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie aufmerksam. Die Sechstage-Saison ist komplett abgesagt, PR-Termine sind deutlich weniger als vor Corona geworden. Auf bis zu 40 000 Euro schätzt Levy die Einnahmeverluste für 2020 und 2021. »Solange es nicht wirklich an die Existenz geht, muss ich damit leben«, sagte der dreifache Familienvater. Immerhin habe die Deutsche Sporthilfe die Elite-Plus-Förderung für ihn für 2021 unkompliziert verlängert. Und auch das Chemnitzer Profiteam Theed Projekt Cycling, für das Levy seit 2012 fährt, sei seinen Verpflichtungen nachgekommen.
Verkorkstes Jahr
Sportlich geht Levy in Plowdiw vielleicht am Sonntag auch noch im Zeitfahren über 1000 Meter an den Start. Im Sprint konnte er bei internen Rennen zuletzt mehrfach mit starken Zeiten überzeugen. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Keirin. 2013 in Apeldoorn und bei der Heim-EM 2017 in Berlin holte er sich in seiner Spezialdisziplin den Titel. »Bei mir lief es zuletzt rund, was meine Verfassung angeht«, sagte Levy. Dass auch andere Nationen auf eine Teilnahme bei der EM verzichtet haben, spielt für den Routinier keine Rolle. »Es gibt dort trotzdem nichts geschenkt. Ich hoffe, dass Plowdiw irgendwie funktioniert, um einen Abschluss für dieses verkorkste Jahr zu finden.« dpa/nd
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