Werbung

Wenn Rechtsprechung zum Racheakt der Regierung wird

Mit dem Espionage-Act geht die US-Regierung nicht mehr nur gegen Spione und Regierungsmitarbeiter vor, sondern auch gegen Journalisten und deren Quellen

  • Daniel Lücking, Mitarbeit: Diani Barreto
  • Lesedauer: 4 Min.

Der ehemalige CIA-Mitarbeiter Jeffrey A. Sterling ist bereits Jahre außer Dienst, als er Ende 2010 als Spion nach dem Espionage-Act angeklagt wird. Die US-Regierung behauptet, Sterling habe Informationen an den Journalisten und Buchautor James Risen über fragwürdige US-Operationen rund um das iranische Nuklearprogramm weitergegeben.

Sterling, der Politik und Rechtswissenschaften studiert hatte, interessierte sich seit jeher für internationale Beziehungen. »Ich wollte meinem Land dienen«, sagt Sterling im Gespräch mit »nd«. »Die Gelegenheit kam und ich wollte aus der kleinen Stadt heraus, in der ich aufgewachsen war, die Welt sehen. Ich war begeistert, als ich zur CIA kam.«

Einen Kontakt zwischen Risen und Sterling hatte es tatsächlich gegeben. Sterling, der zwischen Mai 1993 und Januar 2002 bei der CIA tätig war, zog bereits kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Dienst viel Aufmerksamkeit auf sich, als er seinen Arbeitgeber wegen Diskriminierung verklagte. Der Journalist Risen, der damals für die »New York Times« arbeitete, griff diese Anklage auf und war mit Sterling via Telefon und E-Mail in Kontakt.

Ein Vorgesetzter von Sterling habe ihm gegenüber geäußert, als »großer schwarzer Kerl« sei Sterling für einen Spion »zu auffällig«. Ihm sei es damals darauf angekommen, im Dienst die selben Chancen zu erhalten, wie seine weißen Kolleg*innen, erklärt Sterling die rechtlichen Schritte, die er unternahm.

Die Vorwürfe, die Jahre später aufkommen, beschäftigen Sterling bis heute. Seine Aufgabe bei der CIA war seit dem Jahr 1997, in Bonn und in New York iranische Staatsbürger*innen zu rekrutieren, die für die CIA arbeiten sollten. Ziel der »Operation Merlin« sei das iranische Atomwaffenprogramm gewesen, in das die CIA Agenten einschleusen wollte. Dort sollten diese zunächst an der Weiterentwicklung der Waffen mitarbeiten, diese aber durch falsch Baupläne sabotieren. Wie später bekannt wird, waren die Änderungen an den ursprünglich russischen Plänen leicht zu erkennen und zu beheben. Kurz nach der US-Invasion im Irak 2003 kamen bei Sterling Zweifel auf. »Ich befürchtete, dass eine Operation, bei der ich beteiligt war, gegen unsere Truppen verwendet werden könnte«, erzählt Sterling heute. Er entschied sich, den US-Senat und den Geheimdienstausschuss über seine Zweifel in Kenntnis zu setzen. »Ich habe niemals eingestufte Informationen gegenüber Personen preisgegeben, die nicht autorisiert waren, diese auch zu erhalten«, macht Sterling klar.

Als im Buch »State of War« von James Risen eine Passage auftaucht, in die die Regierung einen Zusammenhang mit Sterling hineininterpretiert, wird das zum Anlass für die Anklage nach dem Espionage-Act. Die Regierung kann ihre Behauptungen nicht beweisen. Nur die Metadaten der Anrufe und E-Mails werden Grundlage für die Verurteilung zu 42 Monaten Haft. »In tragischer Weise war das sogar logisch, denn ich war der Einzige, der sich bis dahin über diese Operation geäußert hatte.« Die Inhalte der Kommunikation zwischen Sterling und Risen kann die Regierung nicht vorlegen. Risen erstritt erfolgreich, seine Quelle zur Operation Merlin weiterhin schützen zu dürfen.

Der CIA-Mitarbeiter Jeffrey A. Sterling verklagte seinen Arbeitgeber wegen Diskriminierung und schied aus der CIA aus. Jahre später wurde er wegen Spionage angeklagt.
Der CIA-Mitarbeiter Jeffrey A. Sterling verklagte seinen Arbeitgeber wegen Diskriminierung und schied aus der CIA aus. Jahre später wurde er wegen Spionage angeklagt.

Die Zeit im Gefängnis geht nicht spurlos an Sterling vorbei. Neben Depression an denen er erkrankt, kommt es auch zu einem Herzinfarkt, der zunächst nicht behandelt wird. »Ich klagte über Schmerzen in der Brust und die Ärzte sagten mir, ich solle mehr Wasser trinken«, erinnert sich Sterling. Erst als seine Ehefrau Holly einen Protest organisiert und ein US-Senator die Bedingungen im Gefängnis hinterfragt, erhält Sterling die dringend benötigte Behandlung.

Während der Präsidentschaft von Barack Obama haben sich die Verfahren, die eigentlich Spionage bekämpfen sollen, zu einem Instrument gegen Whistleblower*innen entwickelt. Journalist*innen wie Julian Assange geraten dabei ins Visier der Dienste und der US-Justiz, die - sollte es zur Auslieferung von Assange kommen - einen Präzedenzfall für den Umgang mit ausländischen Journalist*innen schaffen wird. Chelsea Manning, die als Informantin Dokumente an Wikileaks gab, die die Basis für eine gemeinsame Berichterstattung von deutschen und amerikanischen Zeitungen sowie in der Folge auch Wikileaks wurden, zählt mit dem NSA-Whistleblower Edward Snowden zu den bekanntesten Angeklagten.

John Kiriakou, ebenfalls CIA-Agent, verbüßte eine Strafe von 30 Monaten. Auch sein Verfahren begann lange nach Ende seiner Zeit bei der CIA. Kiriakou hatte 2007 in einem Interview mit dem Sender ABC die Waterboarding-Folter von Guantanamohäftlingen bestätigt. 2012 bekannte sich Kiriakou schuldig, den Namen eines CIA-Agenten an einen Reporter weitergegeben zu haben. Dieser hatte den Namen jedoch nicht veröffentlicht. Das Schuldbekenntnis führte zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten.

Wie mit Assange verfahren werden wird, der für die US-Regierung nicht als Journalist gilt, ist nicht absehbar. Sterling rechnet jedoch im Fall einer Jury damit, dass diese regierungsfreundlich und mit Menschen mit Verbindungen zum Geheimdienstkomplex besetzt sein wird.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -