Orbán bastelt an seinem neuen Feindbild

Verfassungsänderung soll Elternschaft und Geschlecht zum Nachteil der LGBTQ-Community ändern

  • Edmond Jäger
  • Lesedauer: 3 Min.

Dies ist der vorläufige Höhepunkt einer langen Reihe von politischen Aktionen der Regierung, die dieses Jahr gegen LGBTQ in Ungarn gerichtet waren. LGBTQ steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender und queere Menschen. Noch vor Ende dieses Jahres werden die Rechte der LGBTQ-Coumunity weiter eingeschränkt. Justizministerin Judit Varga hat einen Änderungsvorschlag der Verfassung ins Parlament eingebracht, der vorsieht, LGBTQ-Paaren noch weniger Rechte zuzugestehen als bisher. Das Ziel ist die lückenlose Verhinderung von Adoptionen von Kindern durch Homosexuelle oder Transpersonen und die Festigung des national-christlichen Weltbildes der Regierung. Die notwendige Zweidrittelmehrheit für Verfassungsänderungen besitzt die Regierungspartei Fidesz durch ein auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenes Wahlsystem. Die Verfassungsänderung, die am 10. November eingereicht wurde, wird daher aller Voraussicht nach vor Jahresende von der Parlamentsmehrheit durchgewinkt.

In der veränderten Fassung hält dann die Verfassung über Familien ausdrücklich fest: »Die Mutter ist eine Frau, der Vater ist ein Mann.« Über die Erziehung heißt es dann: »Ungarn schützt das Recht des Kindes, sich mit dem Geschlecht seiner Geburt zu identifizieren und stellt die Erziehung auf der Grundlage der Wertordnung sicher, die auf der Identität der Verfassung unseres Landes und der christlichen Kultur beruht.« Neben den wolkigen christlichen Bezügen birgt die Verfassungsänderung die harte Konsequenz, dass die Gründung von LGBTQ-Familien unterbunden wird. Darüber hinaus wird man als Transperson gezwungen, sein Geburtsgeschlecht beizubehalten.

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Bereits im Mai hatte das Parlament die Änderung des Geschlechtes im Personalausweis verboten. Im September offenbarte sich dann, wie sehr die Regierung und Rechtsextreme sich gegenseitig die Bälle zuspielen. Die stellvertretende Vorsitzende der Partei Mi Hazánk (Unsere Heimat), Dóra Dúró, schredderte in einem Onlinevideo ein Kinderbuch, welches Märchen mit Homosexuellen aber auch Roma und anderen Minderheiten als Figuren beinhaltet. Während Bürgerrechtsgruppen sich ob der Buchvernichtung an den Faschismus erinnert fühlten, schlug sich Orbán auf die Seite der Rechtsextremen. In einem seiner wöchentlichen Interviews im staatlichen ungarischen Radio schärfte er Anfang Oktober Homosexuellen ein, sie sollten »die Finger von unseren Kindern lassen«. Hier spielt Orbán offensichtlich mit dem alten Vorwurf, Homosexuelle vergriffen sich an kleinen Kindern.

Daraufhin nahm die Regierungsmaschine weiter an Fahrt auf. Nur zwei Tage nach Orbáns Interview verbot eine Verordnung des Ministers für Humankapital faktisch Adoptionen durch LGBTQ-Paare, Alleinstehende und Unverheiratete. Nach dem Willen des Ministeriums mit diesem sehr speziellen Namen können die genannten Gruppen ein Kind nur dann adoptieren, wenn landesweit kein geeignetes heterosexuelles Ehepaar für das Kind gefunden wurde, was natürlich unrealistisch ist.

Das mehrstufige Vorgehen zeigt - es handelt sich offensichtlich um eine wohlüberlegte Strategie der Orbán-Regierung, die LGBTQ-Community zur Zielscheibe zu machen. Mehrere Ziele lassen sich dafür vermuten. Zum einen hat die zweite Corona-Welle Ungarn stark getroffen. Während das Land die erste Welle vergleichsweise gut überstanden hatte, berichten die wenigen unabhängigen Medien nun jeden Tag von hohen Todeszahlen und den Problemen des ohnehin chronisch maroden Gesundheitssystems. Davon versucht die Regierung abzulenken. Hinzu kommt, dass das Regime nie ohne Feindbilder auskommt. Doch da keine Flüchtlinge mehr am Grenzzaun stehen, versucht man ganz offensichtlich diese durch LGBTQ als Feindbild zu ersetzen. Dies hatte Andrzej Duda im Sommer in Polen vorgemacht und wurde dafür mit der Wiederwahl als Staatspräsident belohnt. Die bevorstehende Verfassungsänderung dürfte also weniger der Schlusspunkt einer Entwicklung als der Beginn des Wahlkampfes sein, den Orbán schon vor Monaten ausgerufen hat. Da die Wahl erst im Frühjahr 2022 ansteht, verheißt auch das kommende Jahr nichts Gutes für LGBTQ in Ungarn.

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