Schutz ungerecht verteilt

Hilfsorganisationen fordern mehr nachhaltigen Klimaschutz für arme Länder

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 4 Min.

Dürre, Hitzeperioden, Überschwemmungen und Stürme haben in den vergangenen zehn Jahren um 35 Prozent zugenommen. Zusammen töteten diese Katastrophen mehr als 410 000 Menschen. Betroffen waren insgesamt 1,7 Milliarden Menschen, die meisten von ihnen in ärmeren Ländern. Die vielen Opfer hätten ihr Hab und Gut verloren, seien erwerbslos geworden oder hätten flüchten müssen. Zu diesem Ergebnis kommt die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) in ihrem am Dienstag in Genf veröffentlichten Weltkatastrophenbericht 2020. Hitzeperioden und Stürme hatten demnach die meisten Toten zur Folge.

Allein seit der Ausrufung der Corona-Pandemie durch die Weltgesundheitsorganisation WHO im März wurde die Welt von mehr als hundert Naturkatastrophen getroffen, von denen viele im Zusammenhang mit dem Klimawandel standen, so die IFCR. Mehr als 50 Millionen Menschen seien von diesen Katastrophen betroffen gewesen. IFRC-Generalsekretär Jagan Chapagain betonte, die Welt stehe durch die Pandemie vor einer »sehr, sehr ernsten Krise«. Doch während es immer wahrscheinlicher werde, dass in Kürze ein oder mehrere Impfstoffe gegen das Coronavirus erhältlich seien, »gibt es leider keinen Impfstoff gegen den Klimawandel«. Das IFRC erwartet, »dass der Klimawandel mittel- und langfristig einen stärkeren Einfluss auf das menschliche Leben und auf die Erde haben wird«, so Chapagain.

Die Recherchen des IFCR zeigten jedoch, »dass die Welt kollektiv daran scheitert, diejenigen zu schützen, die den Klimarisiken am meisten ausgesetzt sind«, sagte Chapagain. Es bestehe eine klare Diskrepanz zwischen der Frage, wo das Klimarisiko am größten ist, und der Frage, wohin die Mittel für die Klimaanpassung fließen. »Diese Diskrepanz könnte sehr wohl Menschenleben kosten.«

Der Weltkatastrophenbericht 2020 zeigt, dass die internationale Finanzierung der Klima- und Katastrophenvorsorge nicht mit dem Bedarf in armen Ländern, die gleichzeitig ein hohes Risiko haben, Schritt hält. »Mit anderen Worten, das Geld sollte aus den Ländern überwiesen werden, die den meisten Reichtum und die meiste Verantwortung für den Klimawandel haben, an diejenigen, die von beidem am wenigsten haben«, heißt es im IFRC-Bericht. Berücksichtige man die Größe der Bevölkerung, seien die Finanzierungsunterschiede noch größer. So gehörte keines der 20 am stärksten gefährdeten Länder zu den 20 Ländern mit den höchsten Pro-Kopf-Empfängern. Somalia beispielsweise, das sowohl von Dürre als auch von Überschwemmungen stark betroffen ist, rangiert nur an 71. Stelle bei den Auszahlungen pro Person. Umgekehrt wies keines der Länder mit den fünf höchsten Pro-Kopf-Finanzierungen eine hohe oder sehr hohe Verwundbarkeit auf.

Die Arbeit zur Klimaanpassung dürfe nicht in den Hintergrund treten, während die Welt mit der Pandemie beschäftigt ist: Die beiden Krisen müssten gemeinsam angegangen werden. Die Internationale Föderation fordert deshalb, ein Teil der Geldes, das Regierungen in der Coronakrise zur Stützung der Volkswirtschaften ausgeben, müsste auch in den Kampf gegen den Klimawandel fließen. Ein Wiederaufschwung, der die Menschen und den Planeten schützt, würde nicht nur dazu beitragen, die heutigen Risiken zu verringern, sondern auch die Gemeinschaften sicherer und widerstandsfähiger gegen künftige Katastrophen machen.

Schon mit 50 Milliarden Dollar (42 Milliarden Euro) könnte den Menschen in rund 50 Entwicklungsländern geholfen werden, so die IFCR. Mit dem Geld könnten die Staaten die Anpassungsmaßnahmen gegen den Klimawandel für das kommende Jahrzehnt finanzieren. So könnten Frühwarnsysteme, Verstärkungen der Küsten, Deiche und robustere Gebäude errichtet werden.

Der Bericht argumentiert, es sei an der Zeit, das »Business as usual« abzuschütteln und den Worten Taten folgen zu lassen. Vieles von dem, was getan werden müsse, sei seit Jahren bekannt - überfällig sei nur die Umsetzung. Zudem müssten Internationale Verpflichtungen wie das Pariser Klimaabkommen, die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) und das Abkommen zur Reduzierung des Katastrophenrisikos gemeinsam umgesetzt werden. »Bei Herausforderungen wie diesen ist internationale Solidarität nicht nur eine moralische Verantwortung, sondern auch eine kluge Entscheidung«, argumentiert Chapagain. Investitionen in die Widerstandsfähigkeit seien kostengünstiger als ein kontinuierlicher Anstieg der Kosten für humanitäre Hilfe.

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