- Politik
- AfD im Bundestag
»So wird es nicht weitergehen«
AfD hatte rechte Aktivisten in Bundestag eingeschleust - demokratische Abgeordnete fordern Konsequenzen
Während sich am Mittwoch in der Nähe des Brandenburger Tores Tausende rechtsoffene Gegner des Infektionsschutzgesetzes Auseinandersetzungen mit der Polizei lieferten, kam es auch auf den Fluren des Bundestags zu unangenehmen Szenen. Mehreren rechten Aktivisten war es gelungen, zu den Abgeordnetenbüros zu kommen und Politiker sowie ihre Mitarbeiter zu bedrängen.
Ein Video erhielt besonders viel Aufmerksamkeit: Die rechtsradikale Medienaktivistin Rebecca Sommer lauerte vor einem Fahrstuhl Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auf. Als sie den Politiker sah, warf sie ihm Beleidigungen und Vorwürfe entgegen. Während Altmeier versuchte, ruhig zu antworten, schrie sie ihm unter anderem zu: »Was ein Arschloch. Aufgeblasener, kleiner Wanna-be-König«. Auch der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle und die SPD-Abgeordnete Katja Mast hatten sich beschwert, angegangen worden zu sein. Mitarbeiter von Politikern berichteten in sozialen Netzwerken, wie sie die Türen ihrer Büros abschließen mussten. Laut Berichten soll auch versucht worden sein, in die Räume des SPD-Fraktionschefs Rolf Mützenich und des Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus einzudringen. Die Polizei musste im Jakob-Kaiser-Haus einschreiten und mehrere Personen rauswerfen.
Von allen demokratischen Parteien gab es scharfe Kritik an den Störversuchen. »Wer versucht, Abgeordnete zu bedrängen und einzuschüchtern, der greift unsere parlamentarische Demokratie an. Das lassen wir nicht zu«, erklärte Britta Haßelmann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen. Er sei »hinreichend im Stande«, sich zu behaupten und habe deshalb »mit großer Gelassenheit der Dame entgegnet«, sagte Altmaier am Donnerstag nach einer Videokonferenz der EU-Industrieminister. »Trotzdem bedrückt mich natürlich, dass ich nicht der einzige bin, den sie offenbar auf diese Weise angesprochen hat.« Die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) sagte gegenüber Medien: »Abgeordnete dürfen nicht in ihrer Entscheidung bedrängt werden.« Die Störaktionen seien mindestens eine Ordnungswidrigkeit, wenn nicht sogar eine Straftat.
Neben Rebecca Sommer gehörten zu der Gruppe der rechten Medienaktivisten auch Thorsten Schulte und Eliyah Tee, möglicherweise noch weitere. Relativ schnell wurde klar, dass die Störer durch die AfD in den Bundestag gelangt waren. Ein Video zeigte, wie sie sich im Büro des Abgeordneten Udo Hemmelgarn trafen. Der Politiker bestätigte am Donnerstag, dass einer der Gäste über ihn angemeldet worden sei, erklärte Fraktionssprecher Marcus Schmidt. Gegenüber der ARD hieß es aus »AfD-Kreisen«, dass Sommer Zugang über das Büro des Abgeordneten Petr Bystron erhalten haben soll. Der Politiker bestritt dies nicht. Aus einem Sicherheitsbericht der Bundestagspolizei ging zudem hervor, dass eine Person auch von Hansjörg Müller eingeladen worden war. Gäste von Bundestagsabgeordneten müssen laut Hausordnung eigentlich in Begleitung des Abgeordneten oder seiner Mitarbeiter unterwegs sein.
Die demokratischen Parteien hatten den Ältestenrat aufgefordert, zu den Störaktionen Stellung zu beziehen. Mögliche Grundlage für Sanktionen könnte dabei der Paragraf 106 sein. Dieser behandelt die Nötigung des Bundespräsidenten und von Mitgliedern eines Verfassungsorgans. Er sieht Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren und in besonders schweren Fällen von bis zu zehn Jahren vor. Die Rechtsvorschrift bezieht sich ausdrücklich auch auf die Bedrohung einzelner Parlamentarier. Konkrete Beschlüsse gab es am Donnerstag bis zum Redaktionsschluss zunächst noch nicht.
Laut dem Linken-Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte soll auch im Kreis der parlamentarischen Geschäftsführer der demokratischen Fraktionen über Konsequenzen für den Parlamentsbetrieb gesprochen werden. Dabei gehe es um Abläufe wie das Besprechen der Tagesordnungen oder zur Redezeit. »Nach den Vorfällen von gestern wird es so nicht weitergehen«, stellte Korte klar. Der Linken-Politiker forderte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) auf, gegen die AfD nun »alle Möglichkeiten zu prüfen und auszuschöpfen«. Er sei offen für harte Auseinandersetzungen und auch provokative Aktionen, aber was am Mittwoch passiert sei, sei »eine Grenzüberschreitung« gewesen.
Korte warb dennoch dafür, das Prinzip der Offenheit im Bundestag nicht wegen der AfD in Frage zu stellen. »Das ist etwas, was unbedingt zu verteidigen ist.«
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