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So viel wie 600.000 Pflege-Gehälter
35 Milliarden US-Dollar Schaden erleidet Deutschland durch Steuervermeidung und -hinterziehung jedes Jahr
Als die Steuerschätzung vergangene Woche ergab, dass die Lage nicht ganz so miserabel wie gedacht ist, aber trotzdem eine große Lücke zwischen Steuereinnahmen und Staatsausgaben klafft, war die Reaktion aus dem neoliberalen Lager eindeutig. Die FDP forderte gleich, der Krise zum Trotz Ausgaben zu streichen. »Diskussionen um Steuererhöhungen sind Gift in einer Wirtschaftskrise«, polterte der Bundesverband der Deutschen Industrie. Dabei sparen hiesige Unternehmen und Superreiche schon jetzt Steuern, wo sie nur können - auf Kosten der Allgemeinheit.
Häufig nutzen sie dafür Schlupflöcher im internationalen Steuerrecht. Jährlich entgehen dem deutschen Staat über 35 Milliarden US-Dollar (knapp 30 Milliarden Euro) an Einnahmen wegen grenzüberschreitender Steuervermeidung und -hinterziehung. Dies ergibt eine am Freitag veröffentlichte Studie des internationalem Tax Justice Network und des globalen Gewerkschaftsbunds Public Services International. 24,4 Milliarden US-Dollar verursachen dabei Unternehmen durch Steuervermeidung, 10,6 Milliarden US-Dollar Superreiche durch grenzüberschreitende Steuerhinterziehung.
Weltweit beläuft sich der Schaden durch Steuervermeidung und -hinterziehung auf 427 Milliarden US-Dollar. Dabei nutzen Superreiche und Konzerne Steueroasen. Die fünf Wichtigsten sind laut der Studie die Caymaninseln, Großbritannien, die Niederlande, Luxemburg und die USA. Demnach haben Superreiche schätzungsweise zehn Billionen US-Dollar an unversteuertem Privatvermögen in Schattenfinanzplätzen geparkt. Der dadurch entstandene Steuerschaden beläuft sich auf 182 Milliarden US-Dollar. An Unternehmensgewinnen werden jährlich 1,38 Billionen US-Dollar in Steueroasen verschoben, wodurch den Staaten 245 Milliarden US-Dollar an Einnahmen vorenthalten werden. Besonders ärmere Länder trifft dies hart. In Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen summieren sich die Verluste auf mehr als 50 Prozent ihrer gesamten öffentlichen Gesundheitsbudgets. In den Ländern mit hohen Einkommen entsprach der Verlust immerhin noch acht Prozent.
In Deutschland beläuft sich der Verlust auf 11,26 Prozent des Gesundheitsbudgets beziehungsweise knapp 20 Prozent der bundesweiten Bildungsausgaben. Oder, um noch eine andere Zahl zu nennen, was mit den 35 Milliarden US-Dollar bezahlt werden könnte, die dem Fiskus jährlich durch die Lappen gehen: Diese Summe entspricht dem Gehalt von 600.000 Krankenpfleger*innen. »Gerade angesichts des enormen zusätzlichen Finanzbedarfes aufgrund der Coronakrise sollten endlich wirksamere Maßnahmen gegen Steuervermeidung internationaler Konzerne und gegen Steuerhinterziehung ergriffen und längst überfällige Maßnahmen wie die öffentliche länderbezogene Berichterstattung über Gewinne und Steuerzahlungen von Unternehmen umgesetzt werden«, fordert deshalb Karl-Martin Hentschel vom Netzwerk Steuergerechtigkeit, dem deutschen Ableger des Tax Justice Network. Deutschland solle die letzten Wochen seiner EU-Ratspräsidentschaft und den G20-Gipfel nutzen, um Fortschritte zu erzielen.
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