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100 Millionen Euro für den Mieterschutz
Rot-Rot-Grün reagiert beim Nachtragshaushalt auf aktuelle Probleme auch in der Wohnungspolitik
Mit einer gemeinsamen Presseerklärung wollen die Fraktionsvorsitzenden von SPD, Linke und Grünen im Abgeordnetenhaus an diesem Donnerstag morgen die Ergebnisse der nachträglichen Haushaltsverhandlungen vorstellen. Angesichts der Coronakrise muss Rot-Rot-Grün wie alle Regierungen in Bund und Ländern ordentlich nachjustieren. In einem ersten Schritt hatte das Mitte-links-Bündnis bereits im Sommer angekündigt, sechs Milliarden Euro Kredite bewilligen zu wollen, unter anderem um coronabedingte Folgekosten auffangen und Wirtschaftsförderungen finanzieren zu können. Die Idee dahinter: Klassisch antizyklisch nach dem britischen Ökonomen John Maynard Keynes nicht einer Krise hinterhersparen, sondern ordentlich zu investieren.
Angesichts des erneuten Lockdowns und relativ ernüchternder aktueller Steuerschätzungen muss Rot-Rot-Grün noch einmal nachsteuern. Dazu haben die Regierungsfraktionen in Gesprächen nun eine zweite Ergänzung zum Nachtragshaushalt (siehe Kasten) geplant. Zu den bereits vereinbarten sechs Milliarden Euro neuer Kredite kommen noch einmal 1,1 Milliarde Euro dazu. Dieser Betrag stammt einerseits aus einer sogenannten Nachschiebeliste, die notwendig wurde, weil das Land Berlin unter anderem zwischenzeitlich beschlossene Bundeshilfen kofinanzieren muss. Dabei geht es um etwa 600 Millionen Euro, die für die genannten Corona-Sonderhilfen, einen Investitionsfonds und die Vorsorge für Einnahmeausfälle zur Verfügung stehen. Hinzu kommen 500 Millionen Euro an neuen Krediten, um weitere krisenbedingte Folgen mit neuen Hilfspaketen auffangen zu können. Darüber berichtete am Mittwoch auch der »rbb« mit Verweis auf Angaben aus der rot-rot-grünen Regierungskoalition. Offiziell soll der Nachtragshaushalt in der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses in diesem Jahr am 10. Dezember beschlossen werden.
Wobei es über das abgestimmte Paket nach nd-Informationen in der Koalition durchaus Diskussionen gab. »Die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie werden zum Teil erst in den nächsten Jahren sichtbar werden, wenn zum Beispiel die Regelungen zum Kurzarbeitergeld ebenso wie die Regelungen zum Insolvenzrecht auslaufen«, gibt der Haushaltsexperte der Linksfraktion, Steffen Zillich, zu bedenken. Zugleich wisse man schon jetzt, dass die Einnahmeausfälle für das Land Berlin wegen der Pandemie sich weit über das Jahr 2021 hinaus erstrecken werden.
Mit Blick auf die Jahre 2022 und 2023 drohen große Finanzlöcher im Haushalt, die auch geplante Investitionen bedrohen. Das könnte im Falle einer Wiederwahl von Rot-Rot-Grün die ersten Regierungsjahre verhageln, wenn die entsprechenden finanziellen Spielräume fehlen. Wie »nd« jüngst berichtet hatte, haben andere Bundesländern wie Sachsen, Hessen und Bayern mit »Corona-Bewältigungsfonds« genannter Vorsorge ganz andere finanzielle Reserven getroffen. »Berlin sollte das auch so machen«, fordert Zillich. Andernfalls werde die Metropole »dem Modernisierungsvorsprung«, den diese Länder jetzt mit diesem Geld erwerben, jahrelang hinterher laufen. Mit dem strategischen Ansatz zur finanzpolitischen Vorsorge konnte sich die Linke indes nicht durchsetzen. Angesichts der schwierigen finanziellen Lage kann es aber auch sein, dass im Frühjahr 2021 noch ein dritte Ergänzung zum Nachtragshaushalt notwendig wird. Dann steht auch fest, wie der Jahresabschluss der Finanzen ausgefallen ist.
Einen Erfolg kann sich die Linksfraktion in den Gesprächen allerdings zuschreiben: Die Koalition will den sogenannten Ankaufsfonds mit 100 Millionen Euro neu auffüllen. Aus diesem Fonds werden Zuschüsse zu Vorkäufen von Häusern gewährt, bei denen Immobilieninvestoren nicht bereit sind, in Milieuschutzgebieten Abwendungsvereinbarungen zum Schutz der Mieterinnen und Mieter zu unterzeichnen. In einem solchen Fall kann der Bezirk dann sein Vorkaufsrecht ausüben, dafür braucht es aber entsprechende Gelder. »Gerade die Paketkäufe der Deutschen Wohnen und von Heimstaden zeigen, wie wirksam das Land über Abwendungsvereinbarungen soziales Verhalten von Vermietern in Milieuschutzgebieten durchsetzen kann, wenn es bereit ist, das Vorkaufsrecht zu ziehen«, sagt Zillich. »Damit wir dieses Instrument auch weiterhin im Interesse der Mieterinnen und Mieter einsetzen können, haben wir den Topf für Vorkaufsrechte aufgefüllt«, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion dieser Zeitung.
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