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Neues am Brecht-Weigel-Haus
Erster Spatenstich für ein Besucherzentrum am Literaturmuseum in Buckow
Das musste kommen zu diesem Anlass: Beim symbolischen ersten Spatenstich für den Bau eines Besucherzentrums am Brecht-Weigel-Haus in Buckow (Märkisch-Oderland) rezitierte Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD) am Donnerstag aus Bertolt Brechts Buckower Elegien das Gedicht »Die Lösung« von 1953: »Nach dem Aufstand des 17. Juni/ Ließ der Sekretär des Schriftstellerverbands/ In der Stalinallee Flugblätter verteilen/ Auf denen zu lesen war, dass das Volk/ Das Vertrauen der Regierung verscherzt habe/ Und es nur durch verdoppelte Arbeit/ zurückerobern könne. Wäre es da/ Nicht doch einfacher, die Regierung/ Löste das Volk auf und/ Wählte ein anderes?«
Es passt natürlich, diese berühmten Zeilen hier zu verlesen. Denn der bedeutende Dramatiker Brecht, der sich auch mit Lyrik hervortat, hatte den Gedichtzyklus in Buckow verfasst. Aber weder die Kulturministerin noch Landrat Gernot Schmidt (SPD) erwähnten dazu, dass Brecht Kommunist war - wenn auch ohne Parteibuch. Dabei wäre seine bahnbrechende Methode, das epische Theater, ohne den Marxismus als theoretische Grundlage undenkbar.
Der Dramatiker Bertolt Brecht nutzte die sogenannte Eiserne Villa in Buckow von 1952 bis zu seinem Tod 1956 in Ostberlin als Datsche.
Brechts Witwe, die unter anderem für ihre Hauptrolle in Brechts Stück »Mutter Courage und ihre Kinder« berühmte Schauspielerin Helene Weigel, wohnte noch bis 1971 in dem Haus, bevor auch sie in Berlin starb.
Zu ihrem Anwesen am Schermützelsee in Buckow gehörten auch die Nachbargrundstücke. Die Erben verkauften den Mittelteil mit der Villa an den Staat, damit hier eine Gedenkstätte eingerichtet werden konnte. Diese Gedenkstätte, das Brecht-Weigel-Haus, wurde 1977 eröffnet. Das Gärtnerhaus, in das sich Brecht oft zurückzog, blieb im Besitz der Erben und kann nicht besichtigt werden.
Ursprünglich hatte 1910 der Bildhauer Georg Roch das Areal erworben und darauf ein Atelierhaus errichten lassen. af
An Brechts politische Überzeugung zu erinnern, übernahm am Donnerstag abseits der offiziellen Reden Buckows Bürgermeister Thomas Mix (SPD), der ursprünglich aus Bayern stammt und in die kleine Kurstadt zugezogen ist. »Für mich war Brecht immer ein guter Kommunist, er war nämlich auch kritisch mit seinem Staat«, sprach Mix in das Mikrofon einer Rundfunkjournalistin und betonte diese Haltung anschließend auch gegenüber »nd«. Der Bürgermeister stellte sogar Bezüge zu seinen eigenen Beweggründen her, sich politisch zu engagieren.
Die märkischen Wurzeln des Schriftstellers Theodor Fontane kenne wohl jeder, vermutete Kulturministerin Schüle. »Dass auch Brecht hier seine Wahlheimat gefunden hat, ist noch weniger bekannt.« Jeweils rund 8000 Gäste im Jahr zählte das Brecht-Weigel-Haus in den zurückliegenden Jahren, früher waren es auch schon mal 15 000. Die Literaturgedenkstätte erhofft sich von dem Besucherzentrum unter anderem auch wieder mehr Zulauf. Der bisherige Zustand mit nur 150 Quadratmetern in dem denkmalgeschützten Gebäude »ist nicht befriedigend«, wie die Kulturministerin weiß. In dem recht geräumigen Besucherzentrum werden die Kasse, Toiletten, ein Museumsshop und ein Veranstaltungssaal untergebracht. Außerdem ist dann auch endlich genug Platz für eine angemessene Ausstellung.
Weil das so dringend nötig ist, gab es bereits 2015 einen ersten Anlauf für ein Besucherzentrum, der aber zunächst an Schwierigkeiten mit dem Denkmalschutz scheiterte. Es gebe auch Anwohner, die ihre Ruhe haben wollen und die es stört, wenn Busse mit Touristen anrollen, sagte Landrat Gernot Schmidt (SPD). Doch er betonte: »Wir möchten hier Besucher haben. Wir möchten, dass junge Menschen in dieses Haus kommen.« Ministerin Schüle sagte: »Vielleicht passt diese nicht ganz so einfache Geschichte zum nicht ganz so einfachen Charakter von Brecht.«
Staatsministerin Monika Grütters (CDU), die Kulturbeauftragte des Bundes, kam nicht zu diesem Termin unter freiem Himmel in die Märkische Schweiz, bei dem bei Temperaturen um den Gefrierpunkt einige Schneeflocken fielen. Grütters erklärte aber: »Bertolt Brecht gehört zu den einflussreichen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts.« Der Bund trage dazu bei, »dem Brecht-Weigel-Haus eine seiner Bedeutung angemessene Arbeit für ein breites Publikum zu ermöglichen«.
1,34 Millionen Euro kosten die Bauarbeiten, die bereits angelaufen sind. 220 000 Euro bringt der Landkreis auf, 284 000 Euro steuern Grütters und Schüle bei, 833 000 Euro kommen aus EU-Fördertöpfen. Anfang 2022 soll das in Holzständerbauweise projektierte Besucherzentrum fertig sein.
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