- Politik
- Johannes-Wilhelm Rörig
Der Politikangler
Personalie
Sexueller Missbrauch und Kinderpornografie nähmen in Deutschland »pandemische Ausmaße« an. So formulierte es der Unabhängige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung Johannes-Wilhelm Rörig noch in diesem Sommer. Wenige Monate später kündigt der 61-Jährige nun überraschend an, sein Amt mit dem Ende der Legislaturperiode im nächsten Jahr niederzulegen. Beauftragt war der Jurist regulär noch bis 2024. Damit, dass sich die Lage gebessert hat, hat diese Entscheidung wohl nichts zu tun. Rörig selbst begründete sie vage mit »neuen Herausforderungen«.
Das Amt war 2010 als Reaktion auf den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche eingerichtet worden, ausgelöst von Fällen wie denen am katholischen Canisius-Kolleg und an der Odenwaldschule. Für eineinhalb Jahre füllte Christine Bergmann das Amt aus, beerbt wurde sie von ihrem ehemaligen Mitarbeiter. Der blieb neun Jahre dabei - und hat immer wieder gemahnt. Er wolle die Politiker »an der Angel halten«, sagte Rörig einmal, auch wenn das Thema nicht mehr oben auf der Tagesordnung stehe. Auch jetzt wolle er sich bis zu seinem Ausscheiden »mit voller Kraft und ganzem Herzen für einen konsequenteren Kampf gegen sexuellen Missbrauch und seine Folgen einsetzen,« so der ehemalige Arbeitsrichter.
Doch vielleicht ist er es müde, immer wieder die Angel auswerfen zu müssen und auf das Anbeißen der Politiker*innen zu hoffen. Seine Abschiedsworte bemängeln - diplomatisch verpackt - die geringen Ressourcen und den fehlenden gesetzlichen Auftrag seines Amtes. Der sieht vor: informieren, aufklären, Belange der Betroffenen wahrnehmen, Handlungsbedarf identifizieren.
Trotz inhaltlicher Kritik Rörigs wurde eine Reform des Sexualstrafgesetzes umgesetzt; und auch die Kirchen waren in der Aufklärung sexueller Missbrauchsfällen in ihren Reihen nicht immer kooperativ. Rörig warb immer wieder für eine umstrittene Aufweichung des Datenschutzes und für Vorratsdatenspeicherung. Seine Nachfolge ist noch nicht geklärt. Ulrike Wagener
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