Sachsen will AfD zum Verdachtsfall erklären

Verfassungsschutz im Freistaat nimmt künftig auch Pegida und »Querdenken« stärker ins Visier

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Spätestens im Frühjahr nächsten Jahres will das Bundesamt für Verfassungsschutz entscheiden, ob die AfD als Gesamtpartei von einem Prüf- auf einen Verdachtsfall hochgestuft und damit zum Beobachtungsobjekt erklärt wird. In einigen Bundesländern sind die Landesämter des Inlandsgeheimdienstes schon wesentlich weiter. In Brandenburg gilt die AfD seit Juni als Verdachtsfall, in Thüringen hatte man die gleiche Einschätzung bereits im März vorgenommen. In Sachsen-Anhalt ist die Sachlage kompliziert: Auch hier schaut der Verfassungsschutz längst genauer hin, darf darüber aber aufgrund der Gesetzeslage erst dann die Öffentlichkeit informieren, wenn eine »erwiesene verfassungsfeindliche Bestrebung« belegt ist, das heißt, wenn die AfD nach Einschätzung des Geheimdienstes zweifelsfrei als Verfassungsfeind gilt.

Was alle drei AfD-Landesverbände verbindet ist die Dominanz des seit Mai formal aufgelösten völkisch-nationalistischen Flügels. Dieser ehemalige Zusammenschluss, der aber faktisch informell noch funktioniert, wird bereits seit Jahresbeginn bundesweit als erwiesen rechtsextrem eingestuft. Seine Stärke in Brandenburg und Thüringen wurde von den dortigen Verfassungsschutzbehörden auch als wesentliche Begründung für die Einstufung der AfD-Landesverbände als Verdachtsfall herangezogen.

Nun scheint auch der sächsische Inlandsgeheimdienst erkannt zu haben, dass die Sachlage im Freistaat ähnlich wie in den Nachbarländern liegt. Wie am Mittwoch bekannt wurde, soll jetzt auch die sächsische AfD zum Verdachtsfall hochgestuft werden. Das berichten WDR, NDR und »Süddeutsche Zeitung«. Demnach habe der Verfassungsschutz seine Absicht bereits dem sächsischen Innenministerium mitgeteilt. Offiziell äußern sich aber weder das CDU-geführte Ministerium noch der Geheimdienst. Ähnlich wie in Sachsen-Anhalt darf der Freistaat erst darüber informieren, wenn die Rechtsaußenpartei als »erwiesen verfassungsfeindlich« gilt.

Medienberichten zufolge soll die neue Einschätzung aus Sachsen vor allem darauf beruhen, wonach der Verfassungsschutz bei drei Landtagsabgeordneten gesicherte Anhaltspunkte für rechtsextreme Bezüge sieht. Bei drei weiteren AfD-Parlamentariern bestehe außerdem der Verdacht. Namen werden nicht genannt.

Überraschend käme die Einstufung der sächsischen AfD als Verdachtsfall nicht, sofern im Freistaat ähnliche Maßstäbe für die Einschätzung wie bei den Verfassungsämtern in Thüringen und Brandenburg gelten. Funktionäre der Rechtsaußenpartei hatten in der Vergangenheit betont, wie groß der Einfluss des Flügels im Landesverband sei, in der Spitze wurde behauptet, dass bis zu 70 Prozent der sächsischen Parteimitglieder dem völkischen Zusammenschluss zuneigten. Ob das stimmt, lässt sich kaum überprüfen, weil der Flügel über keine Mitgliederkartei verfügte.

Lange hatte es in der sächsischen Politik sowie den zuständigen Ministerien und Behörden Streit um den richtigen Umgang mit der AfD gegeben. Bundesweit für Aufsehen hatte im Juli der überraschende Abgang von Gordian Meyer-Plath als Verfassungsschutzchef gesorgt. Dieser hatte sich geweigert, auf Anweisung des Innenministeriums gesammelte Informationen über AfD-Abgeordnete zu löschen. Meyer-Plaths Nachfolger wurde Dirk-Martin Christian, vorher im Ministerium zuständig für die Fachaufsicht über den Verfassungsschutz. Inzwischen ist klar: Der Streit um die Dossiers war viel Aufregung um wenig Substanz. Am Dienstag kam die für den Verfassungsschutz zuständige Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des sächsischen Landtags in ihrem Abschlussbericht zu dem Schluss, dass die Speicherung der Daten von AfD-Abgeordnete grundsätzlich zulässig war, diese aber hätten gelöscht werden müssen, weil es der Verfassungsschutz versäumt hatte, »die fortdauernde Speicherung der Daten rechtmäßig zu begründen.«

Anlass dazu hätte es laut PKK durch die Einstufung des Flügels als erwiesen rechtsextrem durch das Bundesamt für Verfassungsschutz im März dieses Jahres gegeben, die Chance verstrich jedoch ungenutzt. Hinter seinen Möglichkeiten blieb der sächsische Verfassungsschutz bisher auch in Sachen Pegida zurück. Die rassistische Dresdner Bewegung soll künftig ebenfalls stärker ins Blickfeld genommen werden. Unklar ist, was dies in der Umsetzung konkret bedeutet. Gleiches gilt für die Proteste der Querdenker. In Baden-Württemberg, quasi dem Ursprungsland der verschwörungsgläubigen Bewegung, sind die Behörden schon weiter. Der Verfassungsschutz dort stufte Querdenken am Mittwoch als erste Behörde in Deutschland als Beobachtungsobjekt ein.

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