Wer ist eigentlich Trainer?

Der Rücktritt von Jenny Wolf als Chefcoach unterstreicht die Probleme im deutschen Eisschnelllaufverband

  • Emanuel Reinke
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Unruhe ist zurück in der Deutschen Eisschnelllauf- und Shorttrack-Gemeinschaft (DESG), falls sie denn je wirklich verschwunden war. Jenny Wolf, die Sprintikone aus den goldenen Tagen der deutschen Eisschnellläuferinnen, trat Ende der vergangenen Woche nach nicht einmal drei Monaten im Amt als Bundestrainerin zurück. Mit diesem überraschenden Schritt legte sie die augenscheinlich weiterhin vorhandenen Spannungen innerhalb des Verbandes offen.

Matthias Große, seit einem halben Jahr Präsident in der DESG, ist an den Schwierigkeiten nicht ganz unschuldig. Der Immobilienunternehmer und Lebensgefährte von Claudia Pechstein hatte Wolf Ende September als Wunschlösung präsentiert und die gemeinsame, einheitliche Linie beschworen. »Diese Herrschaften sind die sportfachliche Leitung der DESG«, sagte Große damals über Wolf und die ebenfalls anwesenden Mitglieder einer neuen Trainerkommission: »Diese Leute geben den Kurs vor. Wer diesen Kurs mitfährt, ist dabei. Wer nicht, kann nicht hier bleiben.«

Wolf ist nun nicht mehr dabei. Die Richtung geben andere vor. »Vielfältig und mehrschichtig« seien die Gründe, sagte die 41-Jährige. Ausschlaggebend für ihre Entscheidung sei letztendlich der »alternativlose« und »sehr harte und geradlinige Kurs« der neuen Verbandsführung und die damit verbundenen Strukturänderungen, die sie sich anders vorgestellt hätte, wie sie auf ihrer Homepage erklärte.

Unsicherheit im ganzen Verband

Etwas mehr als ein Jahr vor den Olympischen Winterspielen in Peking sind die Eisschnellläufer abermals mit Ungewissheiten konfrontiert. »Mich haben schon vor einigen Wochen Fragen von Athleten erreicht, die wissen wollten, wer denn ihre Trainer und Ansprechpersonen sein würden«, sagte Athletensprecher Moritz Geisreiter. Diese Unsicherheit sei ihnen durch Gespräche noch nicht genommen worden. Der Abschied von Wolf als Kopf der Trainerkommission mache ihn zudem »skeptisch, wie gut die Arbeit in der Trainerkommission angelaufen sein kann und wie nachhaltig dieses Konstrukt in Wahrheit ist«, sagte Geisreiter: »Offensichtlich nicht so sehr, wie sich das manche erhofft hatten.«

Mehr vom Präsidenten Große erhofft haben sich auch die Shorttracker. Nach einer Umbenennung der DESG stehen sie seit kurzem immerhin im Namen des Verbandes, viel mehr passierte aber nicht. »Die Stimmung ist bescheiden«, sagte Leon Kaufmann-Ludwig. Der 24-Jährige war als Athletensprecher ein Kritiker des neuen DESG-Präsidenten, wurde dann im September als Assistenzbundestrainer engagiert und warf Anfang Dezember hin - nach knapp drei Monaten ohne Arbeitsvertrag und Gehalt. »Wir Shorttracker sind, vor allem seit Matthias Große im Amt ist, außen vor, weil sich niemand so wirklich für uns interessiert und man mit uns kaum spricht«, sagte Ludwig-Kaufmann. Es sei außerdem »nicht arg erwünscht, Feedback von außen zu haben«.

Ein Verband auf stürmischer See

Frustration mache sich breit. »Viele Versprechungen, die im Gespräch mit den Sportlern gemacht wurden, stellen sich nun leider als Quatsch heraus«, sagte Ludwig-Kaufmann, der das Fehlen einer Kommunikations- und Diskussionskultur sowie die »vielen persönlichen Kreuzzüge« durch die Verbandsführung kritisierte: »Es wird ganz viel mit Persönlichem gearbeitet. Der Stolz einiger steht höher als das, was uns im Namen des Sports eigentlich vereinen sollte.«

Um die Lage der DESG zu veranschaulichen, bediente Große nach seiner Wahl das Bild eines gekenterten Tankers, der aufgerichtet werden und dem eine Richtung vorgegeben müsse. Am Freitag will der neue Kapitän des schlingernden Frachters ein Zwischenfazit seiner bisherigen Amtszeit ziehen. Eins scheint schon jetzt klar: Die See bleibt stürmisch.SID/nd

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