Privatisierung in der Pandemie

Linke und Gewerkschaft protestieren in Senftenberg gegen drohenden Verkauf des Klinikums Niederlausitz

  • Andreas Fritsche, Senftenberg
  • Lesedauer: 4 Min.
Bernd Riexinger spricht bei der keinen Kundgebung vor dem Klinikum, zu der 42 Menschen erschienen sind, darunter etliche Journalisten.
Bernd Riexinger spricht bei der keinen Kundgebung vor dem Klinikum, zu der 42 Menschen erschienen sind, darunter etliche Journalisten.

Vor dem Klinikum Niederlausitz in Senftenberg hält am Dienstag ein Krankenwagen. Drei Männer steigen aus und legen grüne Schutzkittel an. Oberspreewald-Lausitz ist der am heftigsten von der Corona-Epidemie betroffene Landkreis in Brandenburg. Es sind bereits zehn Patienten verlegt worden, weil in der Gegend sämtliche Betten auf der Intensivstation belegt waren. Ausgerechnet hier und jetzt droht der Verkauf des kommunalen Klinikums an den privaten Sana-Konzern. Die Linke-Landesvorsitzende Anja Mayer nennt es »geradezu absurd«, so etwas in der gegenwärtigen Situation auch nur in Erwägung zu ziehen.

Das Klinikum und die Coronakrise
  • Der Landkreis Oberspreewald-Lausitz verzeichnet 575 Neuinfektionen mit dem Coronavirus je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. Das ist der mit Abstand höchste Wert in Brandenburg. 220 Neuinfektionen sind der Durchschnitt.
  • Mit landesweit 31 Toten binnen 24 Stunden meldete das Potsdamer Gesundheitsministerium am Dienstag einen neuen Rekord. 612 Brandenburger sind bislang im Zusammenhang mit Corona gestorben, 61 entfallen auf den Landkreis Oberspreewald-Lausitz.
  • Das Klinikum Niederlausitz verfügt über 504 Betten und 72 tagesklinische Behandlungsplätze. Es versorgt pro Jahr 22 000 Patienten stationär und 32 000 Patienten ambulant. af

Am 17. Dezember sollen die Kreistagsabgeordneten in nicht öffentlicher Sitzung in Ortrand entscheiden, ob es wirklich so kommt oder ob die kommunale Klinikum Niederlausitz GmbH nicht stattdessen lieber mit dem städtischen Carl-Thiem-Klinikum (CTK) in Cottbus kooperiert. Durch den einen oder den anderen als Partner soll die GmbH ihre finanziellen Probleme in den Griff bekommen.

»Ich habe es ja ehrlicherweise erst nicht geglaubt, dass ein Kreistag mitten in der Pandemie erwägt, ein Krankenhaus zu privatisieren«, sagt Bernd Riexinger. Der Bundesvorsitzende der Linkspartei ist am Dienstag nach Senftenberg gekommen, um an der Krankenhausstraße mit Genossen und mit Ralf Franke von der Gewerkschaft Verdi gegen einen drohenden Verkauf zu protestieren. Private Eigentümer hätten Interesse, Profit zu machen - und das geschehe bei Krankenhäusern in der Regel durch die Ausgliederung von Servicediensten und durch Personalabbau, erklärt der Politiker. »Ich bin der Meinung, Gewinne und Markt haben im Gesundheitswesen nichts zu suchen«, betont er. Es freut Riexinger zu hören, dass die Krankenhausküche noch zum Klinikum gehört - und so sollte es seiner Meinung nach auch bleiben.

50 Kreistagsabgeordnete gibt es, und außerdem darf Landrat Siegurd Heinze (parteilos) mit abstimmen. 26 Stimmen sind erforderlich, um die Privatisierung zu verhindern, rechnet Mario Dannenberg vor. Er führt im Kreistag die neun Köpfe zählende, gemeinsame Fraktion der Linken und der Grünen. »Es wird eine ganz enge Kiste«, prophezeit er. Einigen Abgeordneten erscheine es als leichter Ausweg, das Geld anzunehmen, das Sana angeboten habe, und damit auf einen Schlag scheinbar alle Sorgen um das Klinikum los zu sein. Dem Vernehmen nach geht es um 23 Millionen Euro. Für seine Fraktion stellt Dannenberg klar: »Wir beurteilen das nicht aus wirtschaftlicher Sicht. Krankenhäuser sind Teil der Daseinsvorsorge.« Dannenberg und Riexinger raten davon ab, auf die verheißene Summe zu schielen. Das Geld werde schnell ausgehen, »das Krankenhaus ist für immer weg«, warnt Riexinger. Darum sollte sich das Klinikum Niederlausitz mit dem Cottbuser Carl-Thiem-Klinikum verbinden. Von einer Übernahme von rund zehn Prozent der Anteile an der GmbH ist bei dieser Variante die Rede. Um das Klinikum wieder kreditwürdig zu machen, »brauchen wir Sana nicht«, ist Dannenberg überzeugt.

Derweil ist ein weiterer Personalabbau nicht ausgeschlossen. Angesichts der Coronakrise braucht das Klinikum aber zuerst einmal zusätzliche Arbeitskräfte. Es gab einen Aufruf an die Bürger, sich zu melden, und viele boten tatsächlich ihre Hilfe an, weiß Dannenberg zu berichten.

Das Klinikum beschäftigt rund 1200 Mitarbeiter an seinen zwei Standorten in Senftenberg und Lachhammer. Andere Krankenhäuser gibt es in Oberspreewald-Lausitz nicht. In den zurückliegenden Jahren geriet das Unternehmen in eine bedenkliche finanzielle Schieflage. Managementfehler seien dafür verantwortlich, sagt der Betriebsratsvorsitzende Dr. Jens-Uwe Klöditz. Doch unter den neuen Geschäftsführern Tobias Vaasen und Professor Christian Wallwiener laufe es besser. Der Betriebsrat sei einstimmig gegen die Privatisierung, die Chefärzte im Haus mehrheitlich, sagt Klöditz.

48 Interessenten hatten sich gemeldet, aus denen die Sana Kliniken AG und das Carl-Thiem-Klinikum ausgesiebt worden sind. Fragen nach Details beantwortet die Kreisverwaltung einsilbig mit dem Hinweis, die Unterlagen seien vertraulich und es sei mit den Bietern Verschwiegenheit vereinbart. Zu einem eventuellen Personalabbau heißt es, der Sanierungsplan sehe Anpassungen bei den Stellenplänen vor. »Das kann in beide Richtungen gehen: In einigen medizinischen Bereichen, zum Beispiel auf der Intensivstation, müssen wir nach oben nachsteuern. Es wird andere Bereiche geben, wo wir Stellen reduzieren werden. Die Details sind nach Abschluss des Interessenbekundungsverfahrens gemeinsam mit dem dann feststehenden strategischen Partner zu definieren.« 2020 sei im nicht medizinischen Bereich bereits Personal dadurch abgebaut worden, dass frei werdende Stellen nicht nachbesetzt worden sind. Anfang Oktober habe Anlass zu der Hoffnung bestanden, im Jahr 2020 besser abzuschneiden als geplant, also weniger als zwei Millionen Euro Minus zu machen. Ob es auch so kommt, sei durch die zweite Coronawelle nun unklar.

Im Übrigen nennt Landrat Heinze die Kundgebung am 15. Dezember »geschmacklos«, wenngleich die Versammlungsfreiheit prinzipiell ein hohes Gut sei. Denn bereits ab dem 16. Dezember wäre eine solche Versammlung wegen der Corona-Notlage nicht mehr zulässig gewesen.

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