• Berlin
  • Familienförderungsgesetz

Mehr Platz, Geld und Beistand

Die Grünen-Fraktion will für Familien von allem doppelt so viel wie bisher.

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 4 Min.

Ginge es nach ihr, könne es mehr sein als das Doppelte, sagt Marianne Burkert-Eulitz von der Grünen-Fraktion zu »nd«. Es geht um doppelt so viel Geld, dass in Infrastruktur und Personal von Angeboten fließen soll, die Berlins Familien in den kommenden Jahren zugutekommen könnten - geht es nach einem grünen Gesetzentwurf für ein Familienförderungsgesetz. Über ein solches soll Anfang 2021 im Abgeordnetenhaus abgestimmt werden. Das hat die rot-rot-grüne Koalition in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt. Auch die Senatsbildungsverwaltung unter Sandra Scheeres (SPD) arbeitet zuständigkeitshalber an einem Entwurf, trotzdem hat die Grünen-Fraktion nun bereits vorgelegt. Das Thema sei, so Burkert-Eulitz, eben ein politischer Schwerpunkt ihrer Partei.

Das Wort Familie ist nach Corona und Lockdown dieser Tage wohl eines der am häufigsten gebrauchten Wörter. Angesichts der christlichen Weihnachtsfeierlichkeiten und dem erneuten Aufruf zu Kontaktbeschränkung, um die Infektionszahlen zu drücken, rückt die verwandtschaftliche Konstellation noch einmal mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit: Was ist eine Familie und wie viele Menschen umfasst sie und wer entscheidet, was diese Menschen in schweren Zeiten brauchen?

Im zukünftigen Familienförderungsgesetz geht es abseits der Pandemie um ähnliche Fragen, nur dass darum, anders als zuletzt beim Landesantidiskriminierungsgesetz, wohl weniger gestritten werden wird. Nicht nur wollen alle Fraktionen eine familienfreundliche Stadt. Angesichts hoher Zahlen von armen Familien, Alleinerziehenden und demzufolge armen Kindern und jungen Erwachsenen drängt eine Anpassung umso mehr.

»Vor allem mit der Armutsverlagerung durch eine regelrechte Vertreibung gibt es große Bedarfe, und die Infrastruktur fehlt in den betroffenen Bezirken«, sagt Burkert-Eulitz, die als Rechtsanwältin mit einem Schwerpunkt auf Kinder-, Jugend- und Familienrecht sowie als Verfahrensbeistand für Kinder bei Gericht tätig ist. Vor allem für junge Familien und viele Kinder gibt es nicht nur zu wenig Kitaplätze, es fehlt auch an Beratung und Betreuung darüber hinaus, erklärt sie - ein Ergebnis von Kürzungen in der Jugendhilfe von über 25 Millionen Euro vor etwa 15 Jahren. Das neue Gesetz soll die Grundlage schaffen für neue Familienzentren, Beratungs- und Unterstützungsangebote im häuslichen Kontext, Angebote im Sozialraum, wie in Grundschulen oder Kitas, Erholungsreisen für Familien in herausfordernden Situationen, außerdem Angebote für Familienförderung und Familienberatung in Online-Formaten und Familienservice-Büros.

Zwar sei das Prinzip der frühen Hilfen in den letzten 30 Jahren deutlich verbessert worden, aber noch immer mangelt es an Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen, erklärt Burkert-Eulitz. Auch in den bezirklichen Jugendämtern herrscht mitunter Land unter. Vertreter*innen der Jugendhilfe legten noch vor drei Jahren offen, dass mindestens 100 Beschäftigten in den Bezirken fehlten. Es entstand der Eindruck, einzelne Behörden kapitulierten angesichts der Flut der Anträge und bearbeiteten einzelne Fälle einfach nicht mehr - mit katastrophalen Folgen für Betroffene. Auch bei den Beschäftigten der freien Sozialträger gibt es viel Frust. 32 000 von ihnen erhalten zum Beispiel nicht die kürzlich beschlossene Hauptstadtzulage von 150 Euro. »Das ärgert mich ziemlich, dass Tarifverbesserungen nicht an die Freien weitergereicht werden«, sagt auch Burkert-Eulitz.

Um die Zustände mit einer gesamtstädtischen Steuerung grundlegend zu verbessern, will die Grünen-Fraktion, die sich eine neue Familienpolitik für die Hauptstadt auf die Fahnen geschrieben hat, nun viel Geld in die Hand nehmen: Mit 50 Millionen Euro soll der bisherige Etat, den Land und Bezirke gemeinsam stellen, verdoppelt werden.

Burkert-Eulitz zeigt sich zuversichtlich, dass die Finanzverwaltung allein schon deshalb nicht gleich »Nein« sagen wird, weil es um eine »langfristige und verwertbar gute Infrastruktur« geht. Als Vorbild gilt der Grünenpolitikerin dabei ihr eigener Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Hier sei es gelungen, durch finanzielle Vorleistung in acht Kiezen Familienzentren einzurichten. In Pankow, Spandau und Marzahn-Hellersdorf sehe das deutlich schlechter aus. Die Bezirke geben unterschiedlich viel Geld pro Einwohner*in für die Familienförderung aus. Und sie klären nicht ausreichend die Bedarfe, meint Burkert-Eulitz. Das müsse das Gesetz zukünftig absichern. Und den Bezirken mehr Verantwortung übertragen, so wie das Land ihnen zugleich mit einer Trägerschaft für einen Teil der Angebote unter die Arme greifen werde.

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