Macron verspricht Klimagesetz light

Frankreichs Präsident reagiert auf Kritik aus Bürgerkonvent

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Vor knapp zwei Jahren versprach Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mehr Bürgerbeteiligung beim Umwelt- und Klimaschutz und rief dazu ein Konvent ein. Doch unter den Mitgliedern des Gremiums macht sich Enttäuschung breit. Bei seinem dritten Treffen mit dem Bürgerkonvent für nachhaltige Entwicklung in der vergangenen Woche wurde Präsident Emmanuel Macron deutlich kühler empfangen als bei den vorangegangenen Zusammenkünften.

Das Konvent war im Frühjahr 2019 von Macron als eine der Antworten auf die Protestbewegung der Gelbwesten geschaffen worden. 150 per Los ausgewählte Bürger aus verschiedensten Schichten und Berufen sollten zum Arten- und Umweltschutz sowie zum Kampf gegen den Klimawandel Ideen und Anregungen sammeln und daraus Vorschläge an die Regierung formulieren. Nach neunmonatiger Arbeit übergab der Bürgerkonvent Anfang dieses Jahres dem Präsidenten einen Katalog mit 150 Vorschlägen. Beim zweiten Treffen Mitte des Jahres erklärte Präsident Macron, dass er von den 150 Vorschlägen 147 »filterlos« übernehme.

Jetzt, beim dritten Treffen, waren nur 70 der ursprünglich 150 Bürgervertreter präsent und weitere 53 per Videokonferenz zugeschaltet. Die restlichen wollten nicht mehr teilnehmen. Denn in den vergangenen Monaten wurde über die Medien stückchenweise bekannt, dass etliche ihrer anfangs vom Präsidenten so positiv aufgenommenen Vorschläge inzwischen verwässert, ausgehöhlt oder ganz aufgegeben wurden. Der Druck, den die betroffenen Wirtschaftszweige auf die jeweiligen Ministerien ausgeübt haben, war wohl zu stark.

Nun ging Macron beim letzten Treffen wieder auf die Konventmitglieder zu und kündigte an, dass er einen ihrer wichtigsten Vorschläge schon in Kürze umsetzen wird. Durch ein gemeinsames Votum beider Kammern des Parlaments soll in den Artikel 1 der Verfassung der Passus eingefügt werden: »Die Republik garantiert die Erhaltung der Artenvielfalt und der Umwelt sowie den Kampf gegen den Klimawandel.« Das werde der Ministerrat Ende Januar beschließen, ebenso wie den Entwurf eines Klimagesetzes, mit dem weitere Vorschläge des Bürgerkonvents umgesetzt werden sollen.

Doch dieses Gesetz dürfte weit hinter den Erwartungen der Mitglieder wie darüber hinaus aller an diesem Thema interessierten Parteien, Organisationen und Bürger zurückbleiben. Macron räumte bei dem Treffen ein, dass er sich mit seiner Formulierung der »filterlosen Übernahme« wohl missverständlich ausgedrückt und falsche Erwartungen geweckt habe. Er habe damit sagen wollen, dass er die Zielsetzung des jeweiligen Vorschlags akzeptiere, dass dieser aber »für die Masse der Bevölkerung akzeptabel« und für die nationalen - und damit nicht zuletzt die wirtschaftlichen - Interessen des Landes »vernünftig« sein müsse.

Die meisten Konventmitglieder machten deutlich, dass sie den politischen Willen der Regierung vermissen, entschieden und mit durchgreifenden Maßnahmen gegen die Ursachen der CO2-Emissionen vorzugehen, die so verhängnisvoll für das Klima sind. So errechneten sie einen Bedarf von 22 Milliarden Euro für die Wärmedämmung der Wohnungen, doch von der Regierung geplant sind lediglich 4,5 Milliarden Euro. Vermisst werden auch konsequente Schritte gegen die »Betonierung« von wertvollem Ackerland.

Dass die Forderung nach einer Umweltsteuer auf Flugtickets nicht umgesetzt wird, rechtfertigte Macron vor dem Gremium mit den Worten: »Man kann doch nicht so tun, als ob die Coronakrise mit ihren verheerenden Konsequenzen für viele Zweige nicht existiert.« Das betreffe auch Zweige wie die Luftfahrt und den Flugzeugbau. Darauf entgegnete ein Redner, dass der Rückgriff auf die Epidemie und ihre wirtschaftlichen Folgen verfehlt sei: »Sie ist im Gegenteil eine Chance, hinterher bei der Wiederankurbelung der Wirtschaft eine konsequent nachhaltige Richtung einzuschlagen und diesen Weg entschlossen zu gehen.«

Der Entwurf des geplanten Klimagesetzes wird nach dem, was bisher bekannt ist, nur etwa 40 Prozent der Vorschläge des Bürgerkonvents enthalten. Der Text wird im Januar vom Ministerrat verabschiedet und dann dem Parlament zur Beratung und Abstimmung unterbreitet. Einige Mitglieder des Bürgerkonvents wollen sich damit nicht zufriedengeben. So startete der Dokumentarfilmregisseur Cyril Dion eine Onlinepetition »Rettet den Bürgerkonvent für Klimaschutz«, die bis Ende der Woche bereits 452 000 Franzosen unterzeichneten.

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