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Jahr der Geschenke
Bayer Leverkusen beschert Bayern München den Sieg in der Nachspielzeit
Die Last-Second-Niederlage gegen die Bayern brachte Nadiem Amiri dermaßen auf die Palme, dass er bei seiner Flucht in die Kabine, direkt nach Abpfiff, fast einen Ordner umgerannt hätte. Trotz dessen grellgelb leuchtender Warnweste. Jonathan Tah folgte dem extrem frustrierten Teamkollegen zwei Minuten später sehr viel langsamer. Noch immer verdrehte Leverkusens Innenverteidiger dabei die Augen wegen seiner verunglückten Ballannahme, die die Münchner in der dritten Minute der Nachspielzeit genutzt hatten, um Bayer den zwar unerheblichen, aber doch reizvollen Titel Weihnachtsmeister noch vor der Nase wegzuschnappen.
Wie ausgehungerte Raubkatzen fielen sie bei der ersten falschen Bewegung des Gegners über ihr Opfer her. In einer gnadenlosen Art, wie man sie vom aktuellen Träger der Champions-League-Krone kennt, die beim Schlussakkord zu einem sagenhaft erfolgreichen Jahr aber nur höchst selten aufblitzte. Bezeichnend: Die vor der Pause souveränen, in der zweiten Halbzeit aber immer weiter in die Defensive gedrängten Leverkusener schenkten den Bayern bei deren 2:1-Erfolg fünf Tage vor Heiligabend gleich beide Tore.
Beim ersten, mit dem die Münchner den großartigen Führungstreffer der Gastgeber durch Mittelstürmer Patrik Schick kurz vor der Halbzeit egalisierte, leisteten Torwart Lukas Hradecky und Tah in Slapstick-Manier die entscheidende Unterstützung. »Wir sind gegeneinander gelaufen«, erläuterte Hradecky die Szene, in der Robert Lewandowski eine Flanke von Thomas Müller völlig unverhofft aus fünf Metern über die Linie nicken durfte.
Eine Stunde später bestrafte dann Joshua Kimmich, der sechs Wochen nach seiner in Dortmund erlittenen Meniskusverletzung in den letzten 25 Minuten sein Comeback gab, den Patzer des Nationalmannschaftskollegen Tah - geistesgegenwärtig mit einem direkten Zuspiel auf Lewandowski. Wobei der frisch gekürte Weltfußballer erneut Glück hatte - weil Bayers anderer Innenverteidiger Edmond Tapsoba, der das 1:1 bereits mit einem Fehlpass eingeleitet hatte, Lewandowskis Schuss unhaltbar für Hradecky abfälschte.
»Ich bin sehr sauer, weil diese Niederlage unnötig war«, kommentierte Trainer Peter Bosz aus Sicht des entthronten Spitzenreiters und antwortete auf die Frage nach dem kommenden Deutschen Meister mit trotziger Überzeugung: »Bayer Leverkusen.« Lunte gerochen haben die Rheinländer bei der Jagd auf die Trophäen-Hamsterer aus dem Süden auf jeden Fall. »Ein kindischer Fehler kostet uns den Sieg«, übertrieb Keeper Hradecky dabei ein wenig. Und Bosz sagte: »Wir haben zwei blöde Tore bekommen, mit einem Unentschieden wären wir zufrieden gewesen. Aber wir müssen aus diesen Fehlern lernen.«
Womöglich spiegelten solche Situationen einfach auch das Glück wider, das große Mannschaften in solchen Augenblicken haben, sinnierte der Übungsleiter aus den Niederlanden noch. Während die Sieger ihren monumentalen Erfolgslauf der vergangenen zwölf Monate - fünf Titel gewonnen, nur eins von 48 Spielen verloren - nun zumindest mal ein paar Tage lang sacken lassen können. »In Hollywood geht ja immer alles gut aus. Und genauso wie es hier gelaufen ist, hätte man das Drehbuch geschrieben«, kommentierte Offensivspieler Müller das Münchner Jahr 2020. Eines, das er »magisch« nannte, von dem er aber auch weiß: »Die Umstände für Land und Leute waren nicht so magisch.«
Nach den mühevollen letzten Wochen hatte Müller zudem auch mahnende Worte für seine Mannschaft parat. Die Bayern gerieten in der Liga zuletzt sieben Mal in Folge mit 0:1 in Rückstand - vereinsinterner Negativrekord - das müsse man sich »auf der Zunge zergehen lassen«, erklärte Müller leicht sarkastisch. Generell habe das Team in den »vergangenen ein, zwei Monaten bei den Ausführungen auf dem Platz ein bisschen geschwächelt«. Weswegen nach seinen Vorstellungen nun gilt: »Wir sollten in der kurzen Urlaubszeit die Beine nicht zu sehr hochlegen, sondern auch hart arbeiten.« Denn: »Wir müssen uns in einigen Bereichen deutlich verbessern.« Genauso wie die frustrierten Leverkusener.
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