Corona, die Mimin

Goethes «schöne Krone» und ihr Denkmal in Guben

  • Andreas Peter
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Anfang erscheint Corona allein auf der Bühne und klagt: «Weh dem, der fern von Eltern und Geschwistern ein einsam Leben führt; ihn lässt der Gram des schönsten Glückes nicht genießen.» Johann Wolfgang von Goethe hat sich als Hauptdarstellerin für seine «Iphigenie auf Tauris», 1779 uraufgeführt, die aus Guben stammende Schauspielerin Corona Schröter erwählt. Schon damals wie noch Jahrzehnte danach wurde gerätselt, für wen der Dichterfürst sein Stück nach der Vorlage des vier Jahrhunderte v. u. Z. lebenden Dramatikers Euripides geschrieben hat. Für Charlotte von Stein oder die junge, wunderschöne Mimin, die ihm vielleicht nicht nur Muse, sondern auch Gespielin war? Der Geheimrat äußerte sich zeitlebens nicht dazu. Selbst seinem Sekretär Johann Peter Eckermann verriet er nicht, welche der Damen, die blaublütige Hofdame bei Herzogin Anna Amalie oder die Tochter eines Oboisten im Brühlschen Infanterie-Regiment, er anhimmelte, als er sein Schauspiel schrieb. Goethes Bearbeitung des antiken Stoffs ist jedenfalls nicht nur ein Antikriegsepos, sondern wirkt wie eine feministische Streitschrift. Iphigenie kritisiert: «Der Frauen Zustand ist der schlimmste vor allen Menschen. Will der Mann das Glück, so herrscht er und erficht im Felde Ruhm ... Allein des Weibes Glück ist eng gebunden: Sie dankt ihr Wohl stets andern, öfters Fremden, und wenn Zerstörung ihr Haus ergreift, führt sie aus rauchenden Trümmern durchs Blut erschlagener Liebsten.»

Corona Schröter erblickte am 14. Januar 1751 das Licht der Welt. Guben zählte damals etwa 4000 Einwohner. Das Geburtshaus der talentierten Schauspielerin, gefeierten Sopranistin und Komponistin ausfindig zu machen, erwies sich als äußerst schwierig - zum einen durch die Zerstörungen gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, zum anderen wegen der Teilung der Stadt in Guben westlich der Neiße und Gubin östlich, auf nunmehr polnischem Territorium. Zudem fanden in den 50er Jahren weitflächige Abrissarbeiten in Gubin statt. Aus verschiedenen Quellen ließ sich schließlich in den vergangenen Jahren die ehemalige Klosterstraße 12 als Geburtsort von Corona Schröter ausmachen. Das Haus steht nicht mehr, ein Gedenkstein erinnert. Außerdem gibt es ein Denkmal für Corona in Guben, auf der Theaterinsel inmitten der Neiße, für das sogar Kaiser Franz von Österreich 1000 Gulden, der König von Schweden 200 Mark, die Großherzogin von Baden sowie der Großherzog von Sachsen-Weimar jeweils 100 Mark und die Königin von Rumänien immerhin 50 Mark spendeten - was den Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad der Mimin aus Guben unterstreicht.

Corona hatte auch in Goethes Singspiel «Die Fischerin, 1782 in Tiefurt uraufgeführt, die Hauptrolle gespielt. Sechs Jahre zuvor, 1776, war sie auf Goethes Vorschlag als Hofvokalistin und Kammersängerin nach Weimar verpflichtet worden. Für die Ausführung des Denkmals konnte der Bildhauer Karl Donndorf gewonnen werden, ein gebürtiger Dresdner, der sich unter anderem mit einer Nietzsche-Büste einen Namen gemacht hatte, die sich heute im Nietzsche-Archiv in Weimar befindet. Am 20. Mai 1905 wurde die Bronzebüste feierlich eingeweiht - drei Jahre nach dem Tod der Künstlerin, die am 23. August 1802 am sächsischen Hof in Ilmenau an Tuberkolose verstorben war. Die »Märkischen Blätter« berichteten: »In Gegenwart einer illustren Gesellschaft fand am Sonnabendnachmittag die Enthüllung des Denkmals jener einst von Goethe so hoch gefeierten Künstlerin statt.«

Die Büste auf einer Säule aus rotem schwedischen Granit zeigte Corona als reife, selbstbewusste Frau, ähnlich wie sie Anton Graff auf einem Gemälde verewigt hatte. Ihr Blick war auf den Eingang des 1874 eröffneten Theaters von Guben gerichtet. Der Sockel trug die Inschrift: »Es gönnten ihr die Musen jede Gunst und die Natur erschuf in ihr die Kunst. Goethe« Als im Ersten Weltkrieg Glocken der Stadt- und Hauptkirche von Guben sowie die Pfeifen der Orgel für Rüstungszwecke eingeschmolzen wurden, blieb das Denkmal verschont. Selbst das schlimme Hochwasser in den 1930er Jahren konnte ihm nichts anhaben. Die Büste verschwand im Zweiten Weltkrieg, als wieder Kirchenglocken eingeschmolzen wurden, und gilt seitdem als verschollen.

Die Säule aus rotem Granit steht seit Anfang 2001 wieder gegenüber dem neu errichteten Portal des im Krieg zerstörten Stadttheaters. 2015 wurden aus Spendengeldern finanzierte, in Gold gefasste Tafeln in deutscher und polnischer Sprache angebracht. Doch es fehlt noch immer die Büste von Goethes »schöner Krone« aus Guben.

Der Verleger Andreas Peter veröffentlichte 2011 mit Rosemarie Schuder das Buch »Goethes ›schöne Krone‹. Corona Schröter und ihr Denkmal in Guben« (17,95 €), zu dem auch ein Hörbuch (14,95 €), gelesen von der Schriftstellerin, erschien. Bestellungen an Niederlausitzer Verlag, Frankfurter Straße 12, 03172 Guben, per Telefon 03561/551304 oder auf niederlausitzerverlag.de

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