Ist ohne Fußball alles Staub?

BallHAUS Ost

  • Lesedauer: 3 Min.

Freundinnen und Freunde des Fußballs, wir stehen an der Schwelle zum neuen Jahr und es kann nur besser werden. Die Profis dürfen weiter knödeln, doch in der 4. Liga meines Vertrauens setzen die Spieler Bauchfett an und sortieren sich auf dem Arbeitsmarkt neu. Unser Innenverteidiger, der Vierschrot, geht zum Abu C.- Clan nach Berlin, dort ist seit dem Wochenende eine Stelle frei. Er hat O-Beine wie ein zünftiger Kopfabschneider der bekannten sowjetischen Reiterarmee von Budjonny. All die anderen jungen Heißsporne stehen in Verhandlung mit der Thüringer Polizei. Dort braucht man gedankenlose Tölpel, die wissen, wie man seine Beine in die Hand nimmt und nach rechts und links austeilt.

Ich empfehle in bierhoffesken und schreckensfußballschrecklichen Momenten ein philosophisches Gespräch über das Sein und das Nichts zu führen. Nutzt die Chance und bedenkt, ohne Fußball ist alles Staub, mit Fußball auch!

Doch uns bleiben die Ostertage als Rettungsanker. Spätestens dann wird unser Leidensgedächtnis gelöscht und wir entfalten uns zum Vollpascha. Lest bis dahin ein gutes Buch - vorgestern sind zwei hübsche Werke zur Fußballkultur im Osten erschienen.

In »Kaperfahrten - Mit der Kogge durch stürmische See«, lässt der unermüdliche Fandichter Marco Bertram die letzten 30 Jahre Hansa Rostock an der Leserin vorbeiziehen. Kutten, Radauschwestern, Raufbolde, Dauerreisende und fanatische Fußballguckerinnen erzählen von ihren Erlebnissen mit Hansa Rostock. Feines Bildwerk rundet das Lesevergnügen ab.

Steffen Karas beschäftigt sich in 66 Jahre »BFC Dynamo - Auswärts mit ’nem Bus« sehr ausführlich mit der wahren Geschichte des Berliner Fußballclubs Dynamo. Geradezu betörend ist das statistische Material. Es gibt fast kein Spiel, zu dem er nicht eine komplette Statistik liefert, inklusive der Gästeteams. Lehnt euch zurück, gründelt euch ein und erwacht im Jahr 1977, als der BFC am 2.7.1977 ein Freundschaftsspiel in Sielow 7:2 gewann! Terletzki machte drei Tore. Kauft beide Bücher für jeweils knapp 30 Euro in der Buchhandlung eures Vertrauens, die euch zu Corona-Zeiten alle Bücher frei Haus liefert!

Ich checke einstweilen die Lage und lerne beispielsweise Berlin neu kennen. Ich gehe zur nächsten Klimademo und wähle beim Edeka die Fleischscheiben sehr sorgfältig aus. Wenn mich die Frau am Wurststand auf die supergünstigen Nürnberger Bratwürste hinweist, werde ich als in Weimar Geborener nicht mehr abfällig weggucken, sondern den inneren Thüringer in mir überwinden und sagen: »Geben sie mir gleich sechs! Oder nein … gleich zehn!«

Ich denke, wenn ich zehn Nürnberger Bratwürste kaufe, bringt das beim nächsten Heimspiel Glück. Unser alter, lahmer Stürmer oder der neue junge Feuerkopf werden endlich treffen. Im Mittelfeld erkennt man Dank der Kraft der Nürnberger Würste Struktur. Unser Kapitän wird fortan in den richtigen Momenten wohlfeile Worte finden. Die Abwehr entwickelt auf einmal Ideen, der Trainer befreit sich vom Mief der Besserwisser und Mitredner. Dem Sportlichen Leiter wachsen vor Begeisterung am ganzen Körper Haare. Der Mannschaftsarzt wird Wunderheiler und der ausgemergelte Geschäftsführer legt am Ende stündlich goldene Eier. Dafür muss er gut gemästet werden, er bekommt selbstverständlich ausschließlich Nürnberger Würste und diesen polnischen Wodka mit dem Goldfaden, mehr braucht er nicht. »Gib alles für den Club!«, rufen wir ihm durchs Gatter seines diamantenbesetzten Käfigs zu und sehen, wie die goldenen Eier im Minutentakt aus dem Loch an seiner Rückseite gleiten.

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